0472 - Der Tiefsee-Teufel
er auf die Uhr. »Bleib nicht zu lange unten«, sagte er. »Es wird bald dunkel.«
»Ich weiß ja jetzt, wo sich mein Ziel befindet, und kann es direkt anschwimmen«, erwiderte Deanna. »Es wird nicht lange dauern. Entweder ist dort etwas, oder eben nicht.«
»Du kennst John etwas besser als ich«, sagte Randall leise. »Welche Augenfarbe hat er eigentlich?«
»Warum fragst du? Graugrün.«
»Es war nur so ein Gedanke«, sagte Randall leise.
Doland kam heran. »Vielleicht sollte ich mit hinunter gehen und dir das Wrack zeigen. Sonst findest du es vielleicht nicht«, sagte er. »Immerhin ist es…«
»Unsichtbar? Was du siehst, sehe ich schon lange, John«, erwiderte die Negerin. »Ich sollte vielleicht auch direkt ein paar Markierungen anbringen, damit Beaucassers Leibeigene, falls sie ebenfalls hier aufkreuzen, sofort wissen, daß schon jemand vor ihnen fündig geworden ist.«
»Gute Idee«, nickte Randall.
»Sie werden nicht herankommen«, sagte Doland bestimmt.
Deanna ging über Bord. Sie verschwand im Wasser. Doland wandte sich um und sah zu Beaucassers Hochseeyacht hinüber. »Mir gefällt es nicht, daß er uns so nahe ist«, sagte er. »Man sollte etwas unternehmen.«
»Und was?«
»Wir könnten ›Schiffe versenken‹ spielen«, schlug Doland vor.
»Das meinst du doch wohl nicht im Ernst«, gab Randall kopfschüttelnd zurück.
»Warum nicht? Ich schätze, daß Beaucasser im umgekehrten Fall weniger Skrupel entwickelt als du. Hast du dir sein Schiff mal näher angesehen? Was glaubst du, was da auf dem Vorderdeck herumsteht? Bestimmt keine Pakete mit Überraschungsgeschenken.«
»Beaucasser läßt uns in Ruhe, also lassen wir ihn ebenfalls in Ruhe«, sagte Randall.
»Ja, aber wie lange wird er uns noch in Ruhe lassen? Vielleicht läßt er uns die Arbeit machen, um hinterher abzukassieren. Ein Schiff sinkt schnell…«
»Du bist verrückt, John«, sagte Randall und wandte sich ab. Die PRISCILLA hatte ihre neue Position bereits erreicht, als Deanna über Bord ging, doch noch hatten die Zwillingsmotoren von Volvo gegen die leichte Unterströmung gearbeitet. Jetzt ging Randall nach vorn, um den Anker wieder auszuwerfen, und Laury konnte die Motoren wieder abstoppen.
Randall war gespannt darauf, ob Deanna ebenfalls fündig wurde. Oder ob Doland sie alle nur mit einer fantastischen Geschichte zum Narren halten wollte.
***
Zamorra tauchte in eine andere Welt ein. Innerhalb weniger Minuten hatte er sich daran gewöhnt, über sich eine beträchtliche Wassersäule zu haben. Er folgte dem Fanti-Ghanesen. Eine unmittelbare Verständigungsmöglichkeit gab es nicht; wenn sie sich etwas mitzuteilen hatten, ging das nur mittels Zeichensprache. Verschiedene Bedeutungen hatten sie vorher vereinbart. Zamorra bedauerte, daß es keine Möglichkeit gab, sich mittels Funk zu verständigen, aber unter Wasser funktionierte der normalerweise nicht. Eine Ausnahme bildeten die von Forschern des Möbius-Konzerns entdeckten Transfunk -Frequenzen, aber die standen der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung.
Aber die Kommunikationsschwierigkeiten sah Zamorra als das geringste der Probleme an; schließlich hatten sie ja vorher alles bis ins Detail abgesprochen. Etwas schwieriger war es schon, sich daran zu gewöhnen, daß er nicht mehr durch die Nase atmen durfte, sondern nur durch den Mund.
Was den Spuk anging, war Zamorra recht optimistisch. Wahrscheinlich hatten die Geschichten, welche die Ghanesen ihm erzählten, durchaus einen wahren Kern. Diesem Kern wollte Zamorra nachgehen. Den Spuk zu beseitigen, war mit Sicherheit effektiver, als den Tauchern, wie Beaucasser es wollte, die Geschichte auszureden. Deshalb fühlte Zamorra sich praktisch gezwungen, selbst zu tauchen. Er rechnete zwar nicht damit, die Quelle des Spuks selbst zu sehen, zumindest nicht bei diesem Tauchgang - aber er konnte vielleicht Erkenntnisse gewinnen.
Vor seiner Brust hing unter dem engen Taucheranzug das Amulett. Es würde auf Schwarze Magie sofort reagieren, und falls Zamorra es doch überraschend gegen diese Magie einsetzen mußte, brauchte er nicht einmal den Anzug zu öffnen; es reichte, wenn er seinen gedanklichen Ruf aussandte, und das Amulett würde einfach in seiner Hand erscheinen.
Langsam wurde es dunkler.
Zamorra warf einen Blick auf seinen Tiefenmesser am Handgelenk. Er war überrascht; er hatte eigentlich gedacht, daß es schneller dunkel werden würde. Aber das so wunderbar klare Wasser ließ offenbar weit mehr Licht in die Tiefe,
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