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0474 - Metro-Phantome

0474 - Metro-Phantome

Titel: 0474 - Metro-Phantome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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einen Griff in die Vergangenheit und tastete sich zurück bis zu jenem tödlichen Vorfall, um ihn wie mit einer Filmkamera aufgenommen wiederzugeben.
    Ein paar Neugierige bildeten mittlerweile einen Kreis um »den Verrückten«, der da saß und die Silberscheibe anstarrte. Der neben ihm stehende Saranow hütete sich, die Leute zu verscheuchen. Das hätte nur unnötige Diskussionen ergeben, deren Lautstärke Zamorra weitaus mehr in seiner Konzentration gestört hätte als die bloße Anwesenheit und das teilweise spöttische Raunen, mit dem die Zuschauer sich unterhielten. Statt dessen versuchte er wie Zamorra zu erkennen, was das Amulett ihm zeigte.
    So wurden sie beide im nachhinein Augenzeugen des Erscheinens der Metro-Phantome, die hier einen alten Mann ermordet hatten. Eine absolut sinnlose Aktion… Zamorra, der einige Male auf »Standbild« schaltete, konnte absolut nichts erkennen, was darauf hindeutete, daß das Opfer nicht rein zufällig ausgewählt worden war. Die Metro-Phantome schlugen grundlos zu, nur getrieben von unbegreiflicher Mordlust.
    Zamorra studierte sie und ihre Bewegungen. Die Metro-Phantome waren Skelette, in zerfallene Stoffetzen gehüllt, die einmal Kleidung gewesen sein mußten, ehe das Fleisch von ihren Knochen faulte. Untote, die aus dem Nichts erschienen, um die Lebenden zu morden…
    Es erinnerte ihn an die Skelett-Krieger des Leonardo deMontagne, der zur Zeit des ersten Kreuzzuges als einer von Zamorras Vorfahren gelebt hatte und später zum Dämon und vorübergehend zum Fürsten der Finsternis wurde. Er hatte über ein schier unerschöpfliches Heer von untoten Söldnern verfügt, Skelette von Kriegern aus allen Zeitaltern der Menschheit. Aber Leonardo deMontagne war von einem Höllen-Tribunal abgesetzt und hingerichtet worden, und deshalb gab es jetzt auch keine Skelett-Krieger mehr.
    Trotzdem war die Ähnlichkeit verblüffend…
    Zamorra versuchte herauszufinden, wie die Skelette, die Metro-Phantome, auftauchten und wieder verschwanden, aber zumindest hier schaffte er es nicht. Schließlich löste er seine Trance.
    »Nächster Ort«, bat er Saranow. »Vielleicht haben wir da mehr Glück.«
    Sie ließen die Neugierigen ohne jede Erklärung zurück und fuhren im U-Bahn-Netz weiter. »Wieso«, fragte Zamorra zwischendurch, »nennt ihr eure U-Bahn eigentlich genauso Metro wie die Franzosen? In England ist’s die tube, in den Staaten subway… warum habt ihr da nicht einen eigenen, russischen Namen geprägt? Metro kommt doch aus dem Griechischen.«
    Saranow winkte ab. »Die Metro ist eine russische Erfindung. Euer Napoleon Bonaparte hat uns damals die Pläne geklaut und auch den Namen, den ihr in Paris jetzt widerrechtlich verwendet.«
    Zamorra grinste. »Ich glaube, zu Bonapartes Zeiten hat auf der ganzen Welt noch niemand an das Projekt einer unterirdischen Bahn gedacht. Nicht einmal Leonardo da Vinci, weil der sich mehr für alles Interessierte, was sich in der Luft abspielte, statt für das Unterirdische… nu ladno, towarischtsch - da mußt du dir schon ein anderes Märchen einfallen lassen.«
    »Westlich-kapitalistischer Ignorant«, knurrte Saranow. »Moment mal, seit wann sprichst du russisch?«
    Zamorra lachte leise. »Seit mindestens zwanzig Jahren, ma dorogoi. Mit Fremdsprachen habe ich noch nie Probleme gehabt; sie fliegen mir einfach zu. Vielleicht hängt es mit meiner schwachen Para-Begabung zusammen. Auf jeden Fall ist es nützlich.«
    »Bogossuzedat« schimpfte Saranow. »Und ich breche mir fast die Nasenflügel ab, um französisch zu parlieren! Hättest du das nicht früher mal erwähnen können?«
    Zamorra zuckte mit den Schultern. »Wer nicht fragt, darf sich nicht überein Defizit an Antworten beklagen.«
    Saranow räusperte sich. Er faßte nach Zamorras Schulter. »Um mal zum Thema zurückzukommen. Brüderchen - hast du nicht gerade eben euren Bonaparte, unsere Metro und den großen Leonardo da Vinci in den gleichen zeitlichen Topf geworfen?«
    Zamorra lachte. »Napoleon und die U-Bahn hast du kombiniert, aber bei da Vinci hätte ich mich vielleicht etwas klarer ausdrücken sollen… glaubst du im Ernst, ich wüßte nicht, daß er lange Jahrhunderte vor Napoleon lebte?«
    »In Mexiko ist mal einer aufgehängt worden, bloß weil ihm nicht schnell genug eine Ausrede einfiel«, brummte Saranow wenig überzeugt.
    Inzwischen waren sie an ihrem nächsten Etappenziel angelangt. Sie stiegen aus. Zamorra sah sich um; diese Station in der Tiefe gefiel ihm schon wesentlich

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