0475 - 5 Millionen für Mister High
natürlich«, antwortete Jane rasch. »Ich kenne seine Handschrift.«
»So?« fragte ich skeptisch. »Das Identifizieren von Ziffern ist selbst für Experten zuweilen schwierig. Was macht Sie so sicher, daß Durban die Telefonnummer geschrieben hat?«
»Das sehe ich eben«, behauptete sie. »Es ist seine Schrift. Er warf alles so flüchtig hin… von links nach rechts.«
»Zeigen Sie mir doch mal einen seiner Briefe.«
»Gern«, sagte das Mädchen und trat an einen Schrank. Plötzlich wandte sie sich um. »Zu dumm! Ich habe ganz vergessen, daß ich seine Briefe vernichtet habe. Viele waren es sowieso nicht. Er war kein großer Brief Schreiber.«
»Das wäre zunächst einmal alles«, sagte Phil und stand auf. Ich erhob mich gleichfalls. Jane schien verwirrt. »Sie wollen schon gehen?«
»Ich bin sicher, daß wir uns noch einmal Wiedersehen werden«, erklärte ich lächelnd. Pratt blickte uns finster an. Wir verließen die Wohnung und das Haus. Als wir in meinem Jaguar saßen, wählte ich die Nummer unserer Dienststelle. Phil hielt mir den Zettel mit Pratts Daten unter die Nase. Ich las sie vor und sagte: »Ruft bitte sofort zurück. Ich möchte wissen, ob wir den Burschen in unserer Kartei haben.« Dann fuhren wir los. In Höhe der 125. Straße bogen wir nach rechts ab. Über Randalls Island und die Hell Gate Bridge gelangten wir nach Queens. Von hier aus war es nur noch ein Katzensprung zum Ditmar Boulevard.
McGrow, der Pensionsinhaber, war ein asthmatisch schnaufender, knapp sechzig] ähriger Mann, der uns in seinem Wohnbüro hinter der Rezeption empfing. Wir legten ihm Durbans Bild vor. »Ja«, sagte er. »Den Kerl kenne ich. Er hat mir eine Menge Scherereien verursacht. Ich wünschte, ich bekäme ihn noch einmal in die Finger!«
»Unter welchem Namen ist er bei Ihnen abgestiegen?«
»Er heißt King. Hugh King. So hat er sich jedenfalls eingetragen.«
»Wann ist er ausgezogen?«
»Ausgezogen? Er ist einfach verschwunden! Wahrscheinlich hatte er kein Gejd, um das Zimmer zu bezahlen.« McGrow steckte sich eine Zigarre an. »Die paar Dollar lassen sich natürlich verschmerzen«, fuhr er fort, »aber ich mußte ein neues Fenster einsetzen lassen, und Sie wissen ja, was ein Handwerken heutzutage verlangt.«
»Ein neues Fenster?« fragte Phil. »Warum denn das?«
»Keine Ahnung. Es war kaputt. In tausend Scherben zersprungen. Übrigens hat er seine Reisetasche zurückgelassen. Es sind nur ein paar Hemden, Unterwäsche und die üblichen Toilettenartikel darin.«
Phil und ich wechselten einen kurzen Blick. »Wurde das Zimmer inzwischen wieder belegt?«
»Da müssen Sie Carter fragen.«
»Das ist der Portier?«
»Ja.«
Carter war ein hochgewachsener Mann mit ausgemergeltem Gesicht. Wir wiesen uns aus. Er brachte uns nach oben in das Zimmer. Es roch nach frischem Glaserkitt. Das Bett war abgezogen. Durbans Reisetasche stand auf dem Tisch.
»Hat die Pension einen Hinterausgang?« fragte Phil und öffnete den Reißverschluß der Tasche.
»Ja, Sir, aber den halten wir stets geschlossen«, sagte Carter.
»Sie haben King nicht Weggehen sehen?«
»Nein, Sir.«
»Irgendwie muß er doch aus dem Haus gekommen sein.«
»Ich stehe nicht immer hinter dem Rezeptionstresen«, verteidigte sich Carter. »Manchmal bin ich im Chefbüro oder in der Küche. Vielleicht ist er mit den Männern verschwunden, die ihn besucht haben.«
»Was waren das für Männer?«
»Zwei ganz komische Typen«, erinnerte sich Carter. »Einer war groß und bullig, der andere war so ein kleiner Dandy.«
»Würden Sie sie wiedererkennen?«
»Ja, ich denke schon.«
»Wie ist das mit dem Fenster passiert?«
»Keine Ahriung, Sir. Es muß ganz schön gekracht haben, als die Scheibe in die Brüche ging, aber da wir meistens die Tür zur Straße offenstehen haben und der Verkehrslärm in die Halle dringt, habe ich nichts gehört.«
»Was ist mit den Zimmern nebenan?«
»Eins steht schon seit acht Tagen leer, und im anderen wohnt ein Taxichauffeur. Er war zur fraglichen Zeit im Dienst.«
Ich schaute mich im Zimmer um. Das Telefon stand auf einem kleinen runden Tisch am Fenster. Unter dem Tisch lag ein abgetretener Teppich. Ich bückte mich und befingerte einen dunklen ovalen Fleck.
Der Portier schaute mir interessiert zu. »Sicher ein Likörfleck«, meinte er. »Die Gäste nehmen sich nicht in acht.«
»Das könnte Blut sein«, sagte ich. »Schon möglich«, meinte Carter ziemlich gleichgültig. »Vielleicht hat sich King beim Einschlagen
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