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0476 - Die Hölle auf Erden

0476 - Die Hölle auf Erden

Titel: 0476 - Die Hölle auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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die Räume waren viel, viel kleiner, als er sie von damals her in Erinnerung hatte. Wie war das möglich? War das hier vielleicht nicht das echte Caermardhin?
    Hatte Merlin vielleicht alle anderen getäuscht?
    Zamorra erinnerte sich: Wenn damals Caermardhin unsichtbar war, schien es auch nicht stofflich zu sein. Oft genug war er über diesen Berggipfel geschritten auf der Suche nach dem unsichtbaren Eingang, und nur wenn Merlin es wollte und ihn öffnete, dann hatte er ihn aufspüren können, um die Burg zu betreten, und im gleichen Moment hatte er sich dann nicht mehr auf freiem Gelände befunden, sondern zwischen massiven Wänden, die Sekunden vorher scheinbar noch gar nicht existiert hatten.
    Vielleicht war es jetzt ähnlich. Vielleicht waren diese Trümmer nur eine Täuschung, und das wirkliche Caermardhin verbarg sich nach wie vor hinter seiner Unsichtbarkeit.
    Es gab allerdings etwas, das vehement gegen diese Theorie sprach: die oft genug unter Beweis gestellte Überlieferung, daß Caermardhin jeweils dann sichtbar werde, wenn dem Dorf oder der Welt höchste Gefahr drohte.
    Und das - war derzeit Dauerzustand.
    Demzufolge mußten das hier doch die Trümmer der Burg sein?
    »Merlin«, sagte Zamorra laut. »Wenn du hier irgendwo steckst und mich hören kannst, dann zeige dich mir! Dein alter Freund Zamorra ist aus dem Nichts zwischen den Zeiten zurückgekehrt!«
    »Sei mir willkommen«, vernahm er im nächsten Moment Merlins Stimme aus dem Nichts.
    ***
    Mai 1992, Baton Rouge, Louisiana:
    Angelique Cascal war fassungslos.
    Er hatte es tatsächlich getan. Er hatte sie wahrhaftig in der kleinen Kellerwohnung im Hafenviertel abgesetzt, in der sie und ihre beiden Brüder Yves und Maurice lebten!
    Die Hütte im tibetischen Hochland stand jetzt leer, aber Julian hatte sie nicht leergeräumt. Und Angelique besaß nur wenige Dinge, die sie in ihrer schnell gepackten Reisetasche mitnehmen mußte. Bis zuletzt hatte sie geglaubt, er würde schließlich doch nachgeben.
    Verflixt, er sollte ja nicht von seinen Plänen ablassen. Er sollte sich nur etwas mehr um Angelique kümmern! Aber offensichtlich hatte er nicht verstanden, wozu sie ihn mit ihrem Ultimatum bringen wollte.
    Doch er war der Ansicht, nach Caermardhin zu müssen, vor allem anderen. Sie begriff das nicht. Kam es denn wirklich auf einen Tag mehr oder weniger an? War Merlin nicht der mächtigste Zauberer, der jemals auf der Erde existiert hatte? Warum konnte er sich nicht selbst helfen? Was konnte Julian für ihn tun, was Merlin nicht selbst aus eigener Kraft vollbrachte?
    Julian träumte wieder. Dabei hatte er doch eigentlich beabsichtigt, ohne wirklich zwingenden Grund, ohne eine drohende Gefahr keine weiteren Traumwelten mehr zu erschaffen. Aber in diesem neuen Traum gab es zwei Brücken, die drei Orte miteinander verbanden: Die Hütte in Tibet, den Wohnblock in Baton Rouge und Merlins unsichtbare Burg. In dieser Traumwelt wurden die gigantischen Entfernungen zu wenigen Metern zusammengefaßt. Julian war in der Lage, in der Traumwelt Naturgesetze willkürlich zu verändern und alles nach seinem Willen umzugestalten.
    Vor der Haustür hatte er sich mit einem Kuß auf die Wange von ihr verabschiedet. »Ich melde mich wieder, wenn diese Herausforderung bestanden ist und Merlin meiner Hilfe nicht mehr bedarf.«
    »Ach, geh doch zum Teufel!« hatte sie trotzig erwidert. »Von dort bist du doch zu mir gekommen!«
    Ohne ein weiteres Wort war sie durch das Traumtor hinausgeschritten in die wirkliche Welt. Sie besaß immer noch den Schlüssel; sie trat ein und sah sich um. Yves, ihr Bruder, schlief. Er war wohl nach wie vor nachtaktiv. Maurice war nicht hier, aber das war auch nicht zu erwarten gewesen. Er besuchte das College und würde erst zum Wochenende wieder auftauchen.
    Die Wohnung, die Angelique immer sauber gehalten hatte, wirkte vernachlässigt. Dabei paßte dieses Vernachlässigen weder zu Yves noch zu Maurice, obgleich der im Rollstuhl saß und nicht gut Hand anlegen konnte. Es mußte etwas anderes sein.
    Ich trage die Schuld daran, erkannte Angelique. Sie war damals ohne Abschied einfach verschwunden. Spurlos, denn Julian wollte nicht, daß jemand seinen Aufenthaltsort erfuhr - nicht einmal seine Eltern. Und so hatte auch Angelique nichts sagen dürfen. Sie war einfach mit Julian gegangen, so überraschend, wie sie jetzt zurückgekehrt war. Ihre Brüder hatten sie natürlich vermißt; sie mußten sich allerlei Gedanken bis hin zu einem Verbrechen gemacht

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