0476 - Die Hölle auf Erden
haben, weil es bisher niemals Angeliques Art gewesen war, einfach so zu verschwinden.
Nun, sie würde den beiden erklären, was los war, und sie war sicher, daß Yves und Maurice sie verstehen würden.
In der kleinen Wohnküche ließ sie sich am Tisch nieder, wo sie immer gesessen hatte. An ihrem Platz stand eine kleine Vase mit ihren Lieblingsblumen.
Sie kämpfte gegen die Tränen an. Plötzlich konnte sie den Strauß nicht mehr ansehen und stürmte in ihr Zimmer. Auch hier ein Strauß auf der Konsole neben ihrem Bett. Der Staub lag hoch, aber die Blumen waren frisch.
»Yves, Maurice«, flüsterte sie, den Tränen nahe. »Warum habe ich euch solchen Kummer machen müssen?«
Auf dem Schülerschreibtisch, den sie immer noch für ihre Tagebucheintragungen oder zum Lesen verwendete, stand ein anderer Strauß. Davor ein Kärtchen. Im gleichen Moment, als sie danach griff, spürte sie die Einflüsse einer Traumwelt. Sie war lange genug mit Julian zusammen gewesen, um seine »Handschrift« zu erkennen.
Und das diesmal im doppelten Sinne des Wortes.
»Vergiß nicht: Ich liebe dich, Angelique. Und ich komme zurück, sobald ich es kann, und dann versuchen wir einen neuen Anfang. Einverstanden?«
»Ach, der Teufel soll dich holen«, flüsterte sie erstickt. »Bleib doch, wo der Pfeffer wächst. Ich hasse dich.«
Dabei wußte sie, daß das nicht stimmte. Sie liebte ihn immer noch, wollte es nur vor sich selbst nicht zugeben, weil dann alles nur noch schlimmer für sie geworden wäre. »Ich hasse dich«, wiederholte sie lautlos.
Jungfräulich und verliebt war sie mit ihm gegangen. Jungfräulich und verliebt kam sie zurück. Und der Schmerz in ihr drohte sie zu zerreißen.
Warum hatte er sie in all der Zeit nicht einmal angerührt, obgleich er ihr immer wieder versicherte, sie ebenso zu lieben wie sie ihn?
Hatte er Angst gehabt, sie dadurch zu verletzen? Hätte er es doch nur getan…
Sie warf sich auf ihr Bett und weinte. Obgleich sie zu Hause war, fühlte sie sich einsam und allein. So allein wie damals, äls ihre Eltern starben.
***
August 2058:
Nicole Duvals Bewußtsein schälte sich aus dem Nebel sich überlagernder Erinnerungen. Mühsam gelang es ihr, die verwaschenen, sich gegenseitig durchdringenden Bilder zu sortieren.
Vergangenheit und Gegenwart trennten sich langsam. Was war geschehen? Warum befanden sie und die anderen sich in diesem eigenartigen Raum?
Da fehlte etwas.
Nicole griff tiefer, weiter zurück. In Moskau hatte es eigentlich begonnen. Die Metro-Phantome, diese mörderischen Skelette, kamen aus der Vergangenheit, vom Silbermond. Dort stimmte etwas nicht. Zamorra hatte kurzzeitig einen Blick in die andere Zeitebene tun können; er hatte einen Meegh-Spider gesehen. Meeghs auf dem Silbermond, das durfte nicht sein. Die Zeitspanne, in denen die Spinnenartigen sich dort befanden, waren genau bekannt. Aber zu keiner Zeit waren sie mit ihren Dimensionsraumschiffen direkt auf dem Kleinstplaneten gewesen. Zamorra wollte sich die Sache ansehen, da er eine Zeitmanipulation befürchtete, ein Paradoxon, und das verhindern wollte. Ferner hatte Lucifuge Rofocale sie in Moskau aufgesucht, Satans Ministerpräsident, und sie gebeten, Merlin vor seinem beabsichtigen Tun zu warnen und zurückzuhalten; er selbst drang nicht zu Merlin durch.
Sie hatten Merlin gewarnt. Aber er hörte ihnen gar nicht richtig zu, verwarf die Warnungen als unbegründet. So waren sie zum Château Montagne in Frankreich zurückgekehrt, um von dort aus den Weg in die Vergangenheit zu wagen. Ted Ewigk mit seinem Machtkristall und Sara Moon mit dem magischen Erbe ihrer Mutter, der Zeitlosen, hatten den Übergang möglich gemacht. Sie hatten sich dabei an das gehalten, was Zamorra in Moskau über die Metro-Phantome erfahren hatte.
Sie waren in einer Phase aufgetaucht, die sich nur wenige Minuten vor der Zerstörung des Silbermondes befand. Sara Moon war ohnmächtig geworden und verlor sich nach ihrem Erwachen in Erinnerungen, ohne dabei wieder handlungsfähig zu werden. Damals, vor Jahren, war sie es gewesen, die das Kontrollzentrum der Schattenkreaturen zerstörte, die versklavten Seelen der Druiden befreite und mit ihnen zusammen den Silbermond in seine entartete Sonne lenkte, um die Bastion des Bösen zu zerstören, zu der das System der Wunderwelten geworden war. Vielleicht lag es daran, vielleicht auch an etwas anderem - Sara wurde erst in jenem Moment wieder handlungsfähig, in welchem ihr anderes Ich in der Vergangenheit den
Weitere Kostenlose Bücher