0476 - Kalis tödlicher Spiegel
alles hatte ich bereits hinter mir, und nun schien sich wieder so etwas anzubahnen.
»Du denkst nach, John?«
Ich verzog die Lippen. »Ja, in der Tat. Ich überlege, ob Dimensionsreisen und ähnliche Dinge damit verbunden sind.«
»Das ist es nicht.«
»Was macht ihn dann gefährlich?«
Mandra legte seine Hände flach auf die Schreibtischplatte. »Ich würde sagen, es ist Kali.«
»Ach. Gehört ihr der Spiegel?«
»Ja und nein. Zumindest befindet sich ihr Geist darin. Das ist immerhin schon etwas.«
»Sogar etwas viel, meine ich.«
Mandra beugte sich vor. »Es geht also um diesen Spiegel, der eine besondere Geschichte hat, denn seine Fläche wurde aus den Augen eines Killer-Tigers hergestellt.«
»Jetzt hast du mich neugierig gemacht.«
»Du bist glücklicherweise so pünktlich gekommen, daß ich dir die Geschichte noch erzählen kann. Hör zu…«
Mandra berichtete, und ich hörte von einem Mann, der Singal hieß. Er war ebenfalls Inder und stark in der Tradition verwachsen. Das mußte er auch sein, denn er hatte den Spiegel von seinem Vater geerbt, und dieser wiederum von seinem Vater. Mandra Korab schaffte es auch, mich davon zu überzeugen, daß man aus den Augen eines dämonisch beeinflußten Killer-Tigers eine Spiegelfläche herstellen konnte, sofern sie den Geist der Totengöttin Kali beinhaltete. Ich erfuhr, daß der Spiegel aus Indien fortgeschafft worden war und sich jetzt auf einer Insel befand, die im Atlantik lag, dicht an der spanisch-französischen Küste.
»Dort müssen wir also hin?« fragte ich, nachdem ich den Bericht verdaut hatte.
»Ja.«
»Wo bekommst du ein Flugzeug her? Oder sollen wir paddeln?«
»Keine Sorge, John, ich habe dir von der Landebahn berichtet, die noch auf der Insel existiert. Außerdem nahm ich mir bereits die Freiheit, eine Maschine zu chartern. Sie steht abflugbereit auf dem Londoner Flughafen.«
»Gut gemacht. Nur - wer fliegt?«
»Ich!«
Meine Augen wurden groß. »Du willst fliegen, Mandra? Aber… aber hast du denn?«
»Ich habe einen Pilotenschein«, unterbrach er mich. »Du kannst sofort mit.«
»Toll und mein Chef?«
»Ich nahm mir die Freiheit, John, ihn zu informieren. Er legte den Mantel über diesen Fall, er wird uns decken, soweit wie möglich, denn nicht nur du mußt mit, auch Suko und Bill. Sie alle stehen auf der Liste. Kalis Rache an euch wird furchtbar sein. Ich hätte nicht gedacht, daß der Spiegel einmal eine so große Rolle spielen würde. Aber wir müssen ihn vernichten.«
»Du hast mich überzeugt.« Ich deutete über meine Schulter hinweg, wo die Tür lag. »Was ist mit deinen Leuten, die du mitgebracht hast?«
»Sie werden hier in London bleiben. Ich habe das Haus für eine Woche gemietet.«
»Und der Tote, den wir mitgebracht haben.«
»Er wird so lange aufbewahrt werden, bis wir wieder zurück sind. Das ist alles.«
»Eigentlich müßte ich noch Waffen mitnehmen«, sagte ich leise. »Ich glaube, daß der Würfel und mein Bumerang uns helfen könnten…«
»Hast du dein Kreuz?«
»Natürlich.«
»Das ist wichtig.«
»Wegen der Heiligen Silbe?«
Mandra nickte. »Du hast nichts vergessen, John, ich freue mich darüber, meine aber, daß es allmählich Zeit wird. Wir sollten zum Airport fahren.« Der Inder erhob sich. »Ich sage noch meinen Leuten Bescheid.« Er verließ das Zimmer und ließ mich zurück.
Ich kam mir vor wie eine ferngesteuerte Puppe. So komisch war ich selten in einen Fall hineingestolpert, und ich konnte mir auch nicht vorstellen, daß es uns so leicht gelingen würde, den Spiegel zu zerstören. Schon des öfteren hatte ich die Macht und die Kraft Kalis kennen und fürchten gelernt.
Sie war unbeschreiblich. Das Wort grausam oder schrecklich paßte zwar zu ihr, trotzdem waren die beiden Begriffe noch untertrieben.
Ich verstand diesen Singal nicht, daß er damals aus den Augen eines Tigers den Spiegel hergestellt hatte. Aber das lag lange zurück, und die indische Mythologie beschritt oft recht seltsame Wege.
Mandra kehrte wieder zurück. Seinen Turban trug er nach wie vor und fast die gleiche Lederjacke wie ich. Waffen sah ich keine an ihm, ging jedoch davon aus, daß er nicht »ohne« herumlief.
»Bist du startklar, John?«
»Sicher.« Ich stand auf. Mandra hielt mir die Tür auf. In der Diele stand der Fahrer. Er verbeugte sich vor Mandra und ging schon vor. Von den anderen Männern sah ich nichts.
Mandra Korab sprach noch einige Worte, bevor er ebenfalls das Haus verließ. Ich stand schon
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