0476 - Kalis tödlicher Spiegel
erinnerten mich jetzt an langgestreckte gläserne Hügel, als sie mit der Dünung des Meeres weiterwanderten.
Die Insel wurde größer.
Eine Landebahn konnte ich nicht entdecken. Hoffentlich existierte sie noch.
Auf einmal war alles anders.
Vielleicht war ich der einzige, der es bemerkte. Die Landebahn war noch vorhanden, aber sie hatte sich stark verändert, denn etwas auf dem Eiland glänzte und schimmerte wie ein gewaltiger Spiegel.
Nicht nur wie ein Spiegel, das war einer.
Kalis Spiegel!
Ich wollte den Freunden Bescheid geben, als uns die Magie des Spiegels voll erwischte.
Zur gleichen Zeit setzten die Motoren aus!
***
Sekundenlang taten wir nichts und mußten erst unsere Überraschung verdauen. Jetzt, wo wir das Geräusch nicht mehr hörten, merkten wir erst, wie still es war, obwohl der Flugwind die Maschine umrauschte.
Bill fand zuerst seine Sprache wieder und auch seinen Humor. »Willst du uns ärgern, Mandra!« rief er nach vorn.
»So bestimmt nicht. Die Motoren sind ausgefallen, tut mir leid. Ich kann daran nichts ändern.«
»Und jetzt?« rief Bill.
»Wir haben ja Fallschirme!« hörte ich Sukos Stimme. Sie klang ruhig wie immer.
»Das nenne ich Vorsorge!« Bill wollte lachen, es blieb ihm im Halse stecken.
»Holt die Schirme und schnallt sie euch um!« rief Mandra. »Und vergeßt das Versorgungspaket nicht. Ich versuche derweil, uns näher an die Insel heranzubringen.«
»Uns bleibt auch nichts erspart«, stöhnte Bill. »Da freut man sich auf einen ruhigen Flug, und was kommt dabei heraus? - Verdammt auch!«
Singal sagte nichts. Er hielt sich ebenso zurück wie Suko und ich. Wir alle verloren nicht die Nerven. Bill hatte als erster die Fallschirme erreicht und verteilte sie.
»Hat einer besondere Wünsche?« fragte er. Der Reporter hatte sich breitbeinig aufgebaut, um das Gleichgewicht zu halten. Mandra war fast in einen Sturzflug übergegangen.
»Ja«, sagte ich. »Sing noch ein Lied.«
Bill zeigte beim Grinsen die Zähne. »Nur Fliegen ist schöner.«
Ich nahm meinen Fallschirm und schnallte ihn mir um. Einen zweiten brachte ich unter Mühen zu Mandra.
Ich hatte nicht sehr darauf geachtet, wieviel wir an Höhe verloren hatten, aber die Wasserfläche war mittlerweile schon ziemlich nahe herangerückt.
Und ich sah auch die Insel. Von einer Landebahn war nichts zu erkennen, die Reflektionen nahmen uns den größten Teil der Sicht.
Ich hatte Mandra beim Umschnallen des Fallschirms unterstützt. »Lange dürfen wir nicht mehr zögern«, sagte der Inder. »Sonst sind wir zu tief.«
»Wer springt zuerst?« fragte ich.
»Ihr.«
»Gut.«
Ich stieg zum Heck hoch, wo sich auch der Einstieg befand. Wir überprüften gegenseitig den Sitz unserer Fallschirme und waren zufrieden.
»Das habe ich mir immer gewünscht«, sagte Bill. »Mal mit dir zu springen, John.«
»Ich aber nicht.«
»Spielverderber.«
Uns allen war mulmig zumute, auch dem Reporter. Auf seiner Stirn lagen kleinste Schweißperlen.
Singal schwieg. Er stand als letzter in der Reihe und hielt sich an einer Haltestange fest, ebenso wie Suko. Auch wir taten es den beiden Männern nach.
Wir flogen an die Insel heran. Unter uns schälte sie sich aus dem Meer. Noch glitten wir nicht darüber hinweg, aber schon gab Mandra den Befehl zum Ausstieg.
Es war nicht mein erster Sprung, mich hatte auch nicht dieses Angstgefühl überfallen, komisch war mir dennoch zumute, das merkte ich auch an meinen weichen Knien.
Suko hatte die Verriegelung der leicht gebogenen Tür gelöst und sie aufgeschoben.
Der Flugwind pfiff in die Maschine und preßte sich hart gegen unsere Gesichter. Er nahm mir auch den Atem, der Herzschlag hatte sich beschleunigt, es waren die letzten Sekunden vor dem Sprung, wo jeder irgendwie nervös war, auch ein Profi unter den Fallschirmspringern.
»Raus!« brüllte Bill gegen das Fauchen des Windes. »Abspringen!«
Bill Conolly machte den Anfang. Er trat noch einen kleinen Schritt vor, kippte dann, ich fing noch einen letzten Blick von ihm auf, dann war er verschwunden.
Suko sprang ihm hinterher, Singal folgte. Ich sah, wie Mandra aufstand und auf mich zulief. »Jetzt du, John!« rief er. »Ich werfe den Proviantsack hinterher!«
Ich hob die Hand zum Gruß und stürzte mich ins Leere. Der Schreck preßte mir den Brustkorb zusammen.
Der Wind war stark, auch hier oben lauerte die Kälte. Ich hatte den Mund geschlossen, die Augen ebenfalls und wartete ab, obwohl es mir schwerfiel. Ich mußte zunächst aus dem
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