0477 - Das Schwert des Träumers
Nicole zwei Schattenweseri auf, die nicht schwarz, sondern dunkelrot beziehungsweise regenbogenfarbig waren. Das waren mit Sicherheit keine Meeghs. Das mußten die MÄCHTIGEN sein, deren Anwesenheit Sara Moon gespürt hatte!
Nicht weit entfernt stand auch Sara Moon. Sie bewegte sich nicht und sah starr in Nicoles Richtung. Ihr nach wie vor nackter Körper zeigte keinerlei Verletzung. Aber wenn die Meeghs ihr nichts angetan hätten, hätte sie keinen Grund gehabt, so lange und so anhaltend zu schreien.
Nicole fühlte, wie ihr ein Schauer nach dem anderen über die Haut rann. Sie fürchtete sich davor, daß die Meeghs mit ihr dasselbe anstellen würden, was sie Sara angetan hatten -und das Schlimmste daran war, daß Nicole nicht einmal wußte, was sie gemacht hatten.
»Sara!« rief sie halblaut. »Sara, kannst du mich hören?«
Aber die Druidin reagierte nicht. Sie machte den Eindruck eines Roboters, den man abgeschaltet hatte.
Roboter… Cyborgs… hatten die Meeghs Merlins Tochter zu einem Cyborg gemacht, zu einem Wesen, dessen Körper eine Mischung aus biologischen und technischen Komponenten geworden war? Hatten sie ihr einen ihrer Schwarzkristalle eingepflanzt, um sie zu ihrem Werkzeug zu machen?
Das war ein Schicksal, das Sara nicht verdient hatte. Das niemand jemals verdiente!
Wenn das so war, dann war Sara Moon tot.
Beweg dich, dachte Nicole konzentriert. Dreh dich wenigstens einmal kurz halb um, damit ich deinen Hinterkopf sehen kann!
Aber Sara Moon reagierte nicht darauf.
Nicole wandte sich den beiden MÄCHTIGEN zu, und sofort spürte sie, wie die Angst in ihr wuchs. Sie bekam eine Gänsehaut, so stark, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte, und begann zu zittern, als leide sie unter Schüttelfrost. Das war nicht normal. Sie hatte sich schon einige hundert Male in ausweglosen Situationen befunden, aber nie hatte sie eine derartige Angst verspürt. Schließlich war sie von Natur aus nicht gerade furchtsam veranlagt. Wäre sie es, hätte sie niemals an Zamorras Seite oder auch in Einzelaktionen so viele Kämpfe gegen die Mächte der Dunkelheit geführt. Dann hätte sie sich ganz schnell einen ruhigen, einfachen Job in einer Kanzlei oder einem Konzern gesucht und würde dort als Sekretärin in aller Ruhe auf ihre Rente hinarbeiten. Hätte vielleicht einen netten Jungen geheiratet, würde mit ihm jedes oder wenigstens jedes zweite Jahr eine Urlaubsreise machen und zwischendurch ein, zwei, drei, vier oder mehr süße Kinderchen aufziehen.
Aber das war nicht ihre Welt. Sie brauchte das Abenteuer, und sie war froh, an Zamorras Seite agieren zu können. Auch wenn sie immer wieder in haarsträubende Situationen geriet wie diese.
Wenn sie hier sterben sollte, dann war es so bestimmt. Sie bedauerte, daß noch so unendlich viel unerledigt blieb. Es gab noch so unglaublich viel zu erleben und zu sehen, das Universum war gigantisch in seiner Ausdehnung und seiner Vielfalt, und sie hatte bislang nur einen winzigen Bruchteil davon gesehen. Sie bedauerte auch, daß Zamorra nicht in ihrer Nähe war. Sie war sicher, daß er noch lebte, aber sie wußte nicht, wo er sich befand und wie es ihm erging, und diese Ungewißheit machte ihr zu schaffen. Sie hätte gern noch Abschied von ihm genommen, sie hätte gern noch einmal seine Augen gesehen und seine Lippen auf den ihren gespürt, die Wärme seines Körpers gefühlt. Aber vielleicht sollte es nicht so sein, und sie hatte auch keinen Grund, unzufrieden mit dem Verlauf ihres Lebens zu sein. Es hatte immer wieder wundervolle Stunden der Liebe und Zärtlichkeit gegeben.
Unwillkürlich straffte Nicole sich.
Sie hatte ihren Frieden gefunden. Sie war auf den Tod vorbereitet, sie fürchtete sich nur vor dem Sterben selbst. Besonders vor der Art des Sterbens, die vor ihr lag. Von jetzt an hatte sie nichts mehr zu verlieren, sie konnte jetzt alles riskieren.
Die Angst wich. Die beiden MÄCHTIGEN konnten mit ihrer drohenden und angstauslösenden Ausstrahlung Nicole nicht mehr beeinflussen. Sie schaltete ihre Empfindungen ab, dachte nur noch in eiskalter, maschinenhafter Logik und versuchte jede ihrer Chancen zu nutzen, sobald sie sie erkannte.
Der regenbogenfarbene MÄCHTIGE hob die Hand. Die Meeghs näherten sich Nicole wieder. Sie wartete darauf, daß sie das Kraftfeld abschalteten, um sich mit ihr zu beschäftigen; sie war sicher, daß sie ihr durch das Fesselfeld hindurch nichts tun konnten. Wenn sie es abschalteten, war das ihre Chance.
Ihre erste - und vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher