0477 - Invasion der Schatten
sein privates Arbeitszimmer. Er stellte sich vor die Trivideoprojektion der Galaxis und starrte auf die nebelhaften Spiralarme.
Dieses Bild faszinierte ihn immer wieder. Er dachte daran, daß er im Grunde genommen nur ein Roboter war, aber das Bewußtsein des Plasmas war so stark, daß dieser Gedanke verdrängt wurde.
„Ich bin ein Mensch", murmelte der Kaiser verbissen. „Ein richtiger Mensch, denn ich besitze einen Geist und eine unsterbliche Seele. Der Körper ist unwichtig."
Er schlug sich mit den Fäusten an die Schläfen und stampfte mit dem Fuß auf, um die Emotionen abzuschütteln, die ihn überfluteten. Endlich konnte er wieder völlig logisch denken.
Aufatmend ließ er sich in seinen Sessel sinken und streckte die Hand nach dem Interkomschalter aus.
Mitten in der Bewegung blieb die Hand über der Schreibtischplatte hängen. Ansons Gesicht verzerrte sich.
Furchtbare Gewalten stürzten sich auf das Plasmabewußtsein Argyris', die vereinigten Ich-Anteile von mindestens zehn Cappins schwemmten das Bewußtsein hinweg, drangen in jede Zelle des organischen Gehirnteils - und zogen sich zurück, als sie keinen Widerstand mehr antrafen.
Bis auf einen Ich-Anteil.
Der positronische Gehirnsektor erfaßte die Gefahr sofort. Zuerst versuchte er, den Plasmateil durch Versorgung mit zusätzlicher Energie und durch Abstrahlung von Stabilisierungsschablonen zu unterstützen. Doch dann, als er erkannte, daß bereits ein fremdes Bewußtsein Besitz von Argyris' Plasmaanteil ergriffen hatte, unterbrach er die Biopon-Verbundschaltung.
Von diesem Augenblick an kämpften zwei feindliche Bewußtseine um die Herrschaft über den gemeinsamen Körper.
Anson Argyris stand auf. Er stieß unartikulierte Laute aus und wankte auf die Tür zu, ohne zu merken, wohin er ging. Sein robotonischer Grundkörper verlieh ihm die Kräfte eines Titanen. Er rannte einfach durch die Tür hindurch. Aus Hautrissen des lebenden Bioplasmas seiner Körpermaske rannen Blutfäden.
Für kurze Zeit gewann der positronische Gehirnteil die Oberhand. Anson Argyris beruhigte sich äußerlich, während in seinem Innern die Auseinandersetzung weitertobte. Vom positronischen Gehirnteil gesteuert, schwang sich der Freifahrerkaiser in den Liftschacht, der ihn zur oberen Aussichtsplattform seines Palastes bringen sollte. Die Positronik war dabei streng darauf bedacht, den Körper so weit wie möglich von Schaltanlagen und Befehlsräumen zu entfernen.
Auf der Plattform angekommen, wankte Anson Argyris zum Rand und starrte in die Tiefe. Sein positronisches Bewußtsein erkannte den anfliegenden Gleiter und erinnerte sich, daß damit Galbraith Deighton und die beiden Wyts kamen, um Bericht zu erstatten.
Das plasmatische Bewußtsein erkannte das jedoch auch. Es verfügte über die gleichen Erinnerungen wie der positronische Teil; nur sein allgemeiner Wissensschatz war nicht so umfangreich.
Der Cappin, der Argyris' Plasmaanteil beherrschte, überlegte, wie er das Hindernis überwinden könnte, das ihn bisher an einer endgültigen Übernahme des Freifahrerkaisers gehindert hatte. Er erkannte nicht, daß sein Gegner ein Positronengehirn war, deshalb verhielt er sich abwartend und versuchte, aus Argyris' Erinnerungen die Information herauszufinden, die das Hindernis und dessen Natur betraf.
Das positronische Bewußtsein wiederum kam durch eine Wahrscheinlichkeitsberechnung zu dem Schluß, daß der Cappin im Plasmaanteil sich nur deshalb relativ ruhig verhielt, weil er in Argyris' Erinnerung nach der Ursache seines fünfzigprozentigen Fehlschlags suchte.
Ein Zwiespalt tat sich auf. Einerseits war die Positronik von Perry Rhodan persönlich ganz eindeutig programmiert worden. Ihre Hauptaufgabe lautete, die unbedingte Loyalität des Freifahrerkaisers zur solaren Menschheit und zu Perry Rhodan sicherzustellen. Gerade diese Aufgabe aber wurde durch die Übernahme des Plasmagehirns gefährdet.
Andererseits war die Positronik aber auch für die Sicherheit der Gesamtpersönlichkeit Argyris' verantwortlich, und dazu gehörte ebenfalls der Plasmaanteil. Folglich konnte das positronische Bewußtsein nichts tun, was dem Plasma und damit dem Bewußtsein des darin herrschenden Cappins geschadet hätte.
In diesem Augenblick fand der Cappin die gesuchte Information. Zuerst erschrak er, denn weder er noch sonst jemand von der Invasionsgruppe der Takerer hatte eine Ahnung gehabt, daß der mächtige Kaiser der Freifahrer eigentlich ein Roboter war, der lediglich durch seinen
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