048 - Blut für Lukretia
Pfahlbauten blieb Lukretia stehen. »Das ist mein Haus.«
Sie stiegen aus. Kein Mensch war zu sehen. Keines der Häuser war erleuchtet. In der Dunkelheit konnte man nicht viel von Lukretias Haus erkennen. Es ähnelte einem buddhistischen Tempel. Vor den Stufen, die zu einer großen überdachten Veranda führten, stand ein kleines Geisterhäuschen.
Als sie die kunstvoll verzierte Treppe betraten, flammte plötzlich auf der Veranda Licht auf. Jetzt konnten sie Einzelheiten erkennen. Das Haus hatte drei übereinander liegende Satteldächer, die mit blau glasierten Ziegeln bedeckt und mit unzähligen Nagas, Himmelsschlangen, verziert waren. Der Bau bestand aus Teakholz, die Türen und Fensterläden waren mit Schnitzereien und kunstvollen Perlmutteinlagen geschmückt.
Die Vampirin blieb vor der Eingangstür stehen, faltete die Hände, neigte leicht den Kopf und hob die Hände in Augenhöhe. Dann sagte sie laut: »Sawadi.« Die Tür sprang auf.
Dorian und Coco traten beeindruckt in einen riesigen Raum. Die Wände waren mit Schnitzereien verziert, überall bedeckten kostbare Teppiche den Boden, die Möbel waren aus Teakholz. Eine Wand war mit Khonmasken bedeckt, die für Tanzpantomimen verwendet werden. Die unzähligen Vasen, Krüge und Lampenständer waren aus lindgrüner Keramik. Dorian und Coco schlüpften aus ihren Schuhen.
»Setzt euch«, sagte Lukretia. »Sagt Guido eure Wünsche. Entschuldigt mich, ich habe zu tun.«
Sie verließ den Raum. Dorian und Coco setzten sich an ein kleines Tischchen.
»Ein Bier wäre nicht übel«, sagte Dorian. »Kann ich eines haben?«
Guido Sera nickte.
»Du auch, Coco?«
»Gern«, sagte die junge Frau.
Dorian wartete, bis Guido Sera das Zimmer verlassen hatte. Er steckte sich eine Zigarette an und rauchte in tiefen Zügen. »Ich traue Lukretia nicht. Wir haben keinen Beweis dafür, dass sie wirklich von den Oppositionsdämonen geschickt wurde.«
»Du vermutest also, dass der Überfall der sechs Einheimischen nur eine Tarnung war – ein Täuschungsmanöver: Lukretia taucht auf und wir vertrauen ihr.«
»Genau. Dieser Plan könnte aufgehen. Im Augenblick haben wir keine andere Wahl, als mit Lukretia zu rechnen. Aber wir müssen vorsichtig sein, vielleicht lockt sie uns in eine Falle.«
»Aber die Oppositionsdämonen ließen dir doch ausrichten, dass Hilfe unterwegs ist«, wandte Coco ein.
»Das stimmt«, gab Dorian zu. »Aber habe ich irgendeinen Beweis, dass es tatsächlich die Oppositionsdämonen waren, die mir die Botschaft übermittelten?«
Coco lachte. »Du bist zu misstrauisch, Dorian.«
»Das muss ich sein«, sagte er. »Wäre ich es nicht so oft gewesen, dann wäre ich schon lange tot. Außerdem ist es mir unerträglich, mit einer Vampirin zusammen zu sein. Alles in mir drängt danach, sie zu töten.«
»Damit hast du rechnen müssen, als du die Beschwörung vornahmst«, sagte Coco. »Wir hätten es noch viel schlimmer treffen können. Wie wäre dir zumute, wenn wir einen Ghoul als Helfer bekommen hätten?«
Dorian wandte sich schaudernd ab. Auch er hasste die Leichenfresser ganz besonders. Sie waren die Aasgeier der Schwarzen Familie, die selbst von Dämonen nicht geschätzt wurden.
Sie schwiegen, als Guido Sera mit einem Tablett ins Zimmer trat, auf dem zwei Gläser und zwei Flaschen Bier standen. Sera stellte das Tablett ab, öffnete die Flaschen und schenkte ein. Dann sah er Dorian fragend an.
»Kannst du nicht sprechen, Guido?«, fragte Dorian, der Mitleid mit dem Zwerg hatte. Guido Sera war ein Opfer der Schwarzen Familie. Er war durch Lukretias Biss zu einem Vampir geworden. Nur zu deutlich konnte sich Dorian erinnern, wie es war, ein Vampir zu sein. In einem seiner früheren Leben war er selbst einmal zu einem Blutsauger geworden, und erst vor wenigen Wochen hatte er erlebt, wie man sich als Werwolf vorkommt.
»Ich kann sprechen«, sagte der Zwerg, »aber mein Englisch ist nicht besonders gut. Haben Sie noch Wünsche?«
»Nein, danke«, sagte Dorian. »Ich will mich aber ein wenig mit dir unterhalten, Guido.«
»Tut mir Leid«, sagte das Schattenwesen scharf, »ich darf mit Ihnen nicht sprechen.«
Er drehte sich abrupt um und stapfte aus dem Zimmer. Dorian verzog das Gesicht, prostete Coco zu und trank einen Schluck. Das Bier war kalt und schmeckte herrlich.
»Guido steht ganz im Bann Lukretias«, sagte Coco.
Dorian nickte und drückte die Zigarette aus. Er hob den Blick, als eine der Türen geöffnet wurde. Lukretia trat ins Zimmer. Ihre
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