048 - Die Bande des Schreckens
hatte das Auto schon ins Freie gebracht. Long warf das Gepäck auf die Rücksitze. Er hatte schon einen Fuß auf dem Trittbrett, als er seinen Namen rufen hörte und sich umdrehte. Es war Alice Cravel. Ihr Gesicht verriet nichts. Sie hielt ein Blatt Papier in der Hand.
»Sie haben vergessen, Ihre Rechnung zu bezahlen, Mr. Long!«
Er nahm die Rechnung und überflog sie. Dann lachte er laut auf. Die außerordentliche Höhe der Preise belustigte ihn. Er gab die Rechnung dem Mädchen zurück.
»Schicken Sie sie Mr. Monkfords Testamentsvollstrecker!« rief er kaltblütig. »Und, Miss Cravel, wollen Sie Ihrem Bruder etwas bestellen?«
Sie wartete mit zusammengepreßten Lippen, tiefer Haß sprach aus ihren Augen.
»Sagen Sie ihm, daß ich ihn in Chelmsford treffen werde. Ulanen-Harry war keiner meiner Freunde, aber ich habe mir geschworen, den Mann hängen zu lassen, der ihn getötet hat. Guten Morgen!«
Ihre Augen blinzelten nicht, nur als der Name ›Chelmsford‹ fiel, glaubte er ein rasches Erstaunen darin zu erkennen. In Chelmsford befand sich das Gefängnis, wo in Berkshire die Mörder gehängt wurden. - Ulanen-Harry mochte sie vergessen haben.
19
Mr. Frederick Henrys Büro befand sich in Lincoln's Inn Fields, im Erdgeschoß von Nr. 742. Es war so sauber und korrekt eingerichtet, wie man es von diesem gewandten, gepflegten jungen Mann erwarten konnte - an den Wänden einige Bücherregale und Aktenschränke, ein vornehm wirkender Schreibtisch aus Mahagoni. Auf dem Marmorsims des Kamins stand eine blaue Porzellanvase mit roten Rosen. Vom breiten Fenster aus sah man auf einen Rasen, auf Bäume und ein Blumenbeet. Die übliche dumpfe Atmosphäre von Anwaltsbüros war hier nicht zu finden.
Mr. Henry stand am Fenster und betrachtete den schönen Garten, als ihm Inspektor Long gemeldet wurde. Er schaute lächelnd auf die Karte. »Ich lasse bitten.«
Er ging dem Besucher halb entgegen und begrüßte ihn.
»Sie kommen Monkfords wegen? Ich wollte Ihnen gestern schreiben, rief aber vorher in Heartsease an und hörte, daß Sie abgereist wären.« Er rückte dem Inspektor einen Stuhl zurecht, dann setzte er sich hinter seinen Schreibtisch. »Nun, Mr. Long, was wünschen Sie?«
Der Wetter hatte mit einem solchen Entgegenkommen nicht gerechnet, was ihn zunächst aus der Fassung brachte.
»Kommen wir also gleich zur Sache, Mr. Henry«, begann er. »Wenige Stunden, bevor Monkford ermordet wurde, sah ich ihn im Gespräch mit Ihnen und Jackson Crayley auf dem Rasenplatz vor meinem Fenster spazieren. Als ich Monkford später traf, war sein Verhalten zu mir ausgesprochen kühl. Ich möchte wissen, worüber Sie sich unterhielten, und weshalb er danach ein so verändertes Wesen zeigte.« »Das kann ich Ihnen leicht erklären«, erwiderte der Rechtsanwalt. »Mr. Monkford erfuhr von mir, daß Sie ein Verehrer von Miss Sanders sind, und daß Sie ihr einen kostbaren Ring geschickt haben.«
Der Wetter war verblüfft. Daß sein kleines Täuschungsmanöver der Grund für Monkfords seltsame Verstimmung gewesen sein könnte, hätte er zuletzt erwartet.
»Und warum sollte das Mr. Monkford verdrießen?« fragte er.
Henry betrachtete ihn mit einem seltsamen Lächeln.
»Weil • Monkford selbst verliebt war«, sagte der Anwalt und war über die Wirkung seiner Worte befriedigt.
»Verliebt in sie?« fragte Long zweifelnd.
»So sehr verliebt, daß er am Nachmittag vor seinem Tod ein Testament zugunsten von Miss Sanders machte, worin er ihr sein ganzes Vermögen hinterließ.«
Der Wetter erhob sich zögernd. »Zum Teufel, hat er das getan?«
Der Anwalt zuckte die Achseln, so als interessierten ihn des toten Monkfords Überspanntheit und deren Folgen nicht sonderlich.
»Das Testament befindet sich in meinem Besitz. Es ist auf Monkfords Verlangen aufgesetzt und von Crayley und mir als Zeugen unterschrieben worden.«
»Wer sind die Testamentsvollstrecker?« »Miss Sanders ist alleinige Vollstreckerin. Ich habe ihm selbstverständlich abgeraten, ein derartiges Testament zu machen, und vorgeschlagen, seinen eigenen Anwalt beizuziehen. Ich war sehr dagegen, daß Miss Sanders alleinige Vollstreckerin sein sollte, und riet, einen amtlichen Testamentsvollstrecker zu bestellen. Aber er ließ sich nicht davon abbringen. Er sagte, daß er nach dem Essen mit Ihnen sprechen und Sie aufklären werde. Ich neige zu der Ansicht, daß er Furcht vor einem baldigen Tod hatte und daher darauf drängte, das Testament sofort aufzusetzen. Ich habe ihm
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