048 - Die Bande des Schreckens
hinauflief. Er fand Sie vor Monkfords Zimmertür, beim Versuch, sie zu öffnen. Warum sollte sie eigentlich verschlossen gewesen sein?«
»Ich habe mich selbst gewundert, aber sie war es.«
Miss Revelstoke zuckte die Achseln, ihre Mundwinkel verrieten Heiterkeit.
»Obwohl kein Schlüssel gefunden wurde? Mr. Cravel meinte, die Tür könne nicht von innen verschlossen worden sein, sonst wäre er nicht in der Lage gewesen, sie mit seinem Hauptschlüssel zu öffnen. Vielleicht haben Sie inzwischen den Schlüssel gefunden?«
»Diese Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen«, stimmte Long bedächtig zu. »In der Tat, der Schlüssel ist in Monkfords Tasche gefunden worden.« Miss Revelstokes Augenbrauen hoben sich fragend.
»Cravel behauptete, daß der Schlüssel im Hotelbüro hing und sich jetzt noch dort befindet. Da Sie ihn in Monkfords Tasche fanden, muß es ein Schlüssel sein, von dessen Existenz das Hotel nichts weiß.«
Sie sah, wie der Wetter stutzte und auf seinem müden Gesicht sich ein Lächeln zeigte.
»So ist's!« Mit einem Mal veränderte sich sein Gesicht, die Müdigkeit war verschwunden, ein neuer Glanz trat in seine Augen. »Selbstverständlich verhält es sich so! Ich bin dumm! Blödsinnig dumm!«
Er bemerkte die Wirkung seiner Taktik auf Miss Revelstoke. Ihr Gesicht wurde lang, ihre Lippen öffneten sich, als ob sie etwas sagen wollte, doch brachte sie keinen Ton hervor. Endlich senkten sich die erhobenen Augenbrauen, und ihre Stirn legte sich in Falten.
»So verhält es sich -?« wiederholte sie. »Was meinen Sie damit?«
»Miss Revelstoke«, erwiderte er beinah vergnügt, »Sie haben mir die einfachste Lösung dieses fatalen Rätsels gegeben. Nun will ich mein Gewissen entlasten. Als ich Ihnen sagte, ich hätte den Schlüssel in seiner Tasche gefunden, log ich. Ich habe ihn nicht gefunden. Ich log, weil die Lüge die aufreizendste Behauptung ist, die ich kenne, besonders für die...« Er beendete den Satz nicht, obgleich Miss Revelstoke darauf wartete. Sie wartete vergeblich. Er wandte sich Nora zu. »Ich wollte Ihnen eine Menge Fragen über die Explosion in Ihrem Zimmer stellen. Aber das ist nun nicht mehr nötig. Ich kann mir nun den ganzen Ablauf ziemlich genau vorstellen, nur ein Umstand ist mir noch unklar - wie ist der Mann, der Joshua Monkford ermordete, aus dem Zimmer entkommen?«
Miss Revelstokes Lippen kräuselten sich.
»Diese Frage scheint wichtiger zu sein als jede andere!« spöttelte sie.
»Ja und nein -.« Der Wetter tat, als spräche er mit sich selbst. »Die wichtigste Frage, die ich noch nicht beantworten kann, ist die: Warum hat Mr. Henry, jener hervorragende Rechtsanwalt, den Monkford für einen kommenden Mann hielt, bei der Staines Polizeistation ein Viertel vor neun Uhr vorgesprochen und dem diensthabenden Inspektor gemeldet, daß er seine Armbanduhr verloren habe, die er tatsächlich in seinem Zimmer hier zurückließ?«
Das spöttische Lächeln verschwand aus Miss Revelstokes Gesicht.
»Sie sind beinah ebenso geheimnisvoll wie gewisse geheimnisvolle Leute, Mr. Long!«
»Noch viel geheimnisvoller -«, versicherte der Wetter, »denn zur selben Minute, als Henry in der Polizeistation vorsprach, hat man Monkford erschossen. Ich habe noch nie von einem besseren Alibi gehört!«
»Von einem besseren Alibi?« fragte Miss Revelstoke lauernd. »Sie lieben es wirklich, in Rätseln zu sprechen.«
Doch Long ließ sich zu keinen weiteren Vertraulichkeiten herbei. Mit einem kurzen Kopfnicken verließ er das Zimmer.
Miss Revelstoke sah mit hochgezogenen Augenbrauen Nora an.
»Verstehen Sie das?«
Nora Sanders schwieg. Sie war verwirrt und hatte den ganzen Wortwechsel kaum richtig aufnehmen können. Sie dachte an die Andeutungen ihrer Herrin, an die Torheit, die sie als junges Mädchen in Kopenhagen begangen hatte. Sollte diese Torheit bis in die Gegenwart hineinspielen?
18
Miss Revelstoke hatte nicht übertrieben, als sie prophezeite, daß die Hälfte der Gäste Heartsease verlassen würde. Arnold Long, der kurz die Stadt aufgesucht hatte, fand bei seiner Rückkehr nicht mehr als ein halbes Dutzend Leute im Speisesaal vor, und die resignierten Gesichter der Kellner bewiesen schlagend, daß die Saison verdorben war.
Auf Cravels dringendes Ersuchen waren seit dem frühen Morgen drei Schreiner damit beschäftigt, die Täfelung im Mordzimmer zu entfernen. Diese Arbeit fand unter Aufsicht von Kriminalwachtmeister Rouch statt.
Der Wetter ging hinauf, um sich die Verwüstung
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