0484 - Stygias Todespendel
einer anderen Dimension, sondern wie vermutet aus einer anderen Zeitebene. Es benutzte das Gefälle zwischen Vergangenheit und Zukunft und schwang darin hin und her, war deshalb unangreifbar für das Amulett, das ihm nicht in die Schwingungsrichtung Zukunft folgen konnte, und aus Vergangenheit und Zukunft heraus hatte es auch mühelos die Schutzsphäre um »Tendyke’s Home« durchbrechen können! Schon ein Unterschied von einer Zehntelsekunde versetzte das Pendel an der Abschirmung vorbei und ließ sie entweder vorübergleiten oder überholte sie, um im entscheidenden Augenblick zuzuschlagen!
Zamorra erfuhr nie, ob all das etwas mit Merlins Experiment zu tun hatte, ob Ausläufer des Zeitparadoxons von der Löschung unberührt geblieben waren. Er schlug nur mit dem Dhyarra-Kristall zu. Er bekam das Todespendel zu fassen. Aber er schaffte es auch mit der Dhyarra-Kraft nicht, das Pendel festzuhalten und mit seinem Benutzer herüberzuziehen; es war zu schnell aus seiner zeitlichen Reichweite heraus. Doch als es zurückkam, zerstörte er es.
Es flog in einem grellen Aufblitzen auseinander. Für wenige Sekunden schien tief über den Sümpfen Floridas eine zweite, winzige Sonne zu stehen, die ihre Energie in einem einzigen, grellen Aufleuchten verstrahlte und dann verlosch.
***
Robert Tendyke war froh, daß es nicht zum Äußersten gekommen war. Er war auf den Tod vorbereitet gewesen, im Gegensatz zum ersten Mal. Da hatte der Angriff ihn böse überrascht und hätte seiner Existenz ein endgültiges Ende bereitet, wenn er erfolgreich verlaufen wäre. Denn Tendyke hatte nicht mehr die Zeit gefunden, sich auf den Schlüssel und die magischen Worte zu konzentrieren, die ihn nach Avalon gebracht hätten. Das war wichtig; wenn er starb, mußte er nach Avalon gehen können und kehrte irgendwann wieder als Lebender von der Nebelinsel in die Menschenwelt zurück.
Doch diesmal hatte er sich vorbereitet - und es war unnötig gewesen. Der Plan funktionierte; Zamorra hatte rechtzeitig eingreif en und die Waffe unschädlich machen können. Tendyke war froh darüber. Er wäre wieder zurückgekehrt in die Welt der Lebenden, aber jede erzwungene Reise nach Avalon war schmerzhaft. So schmerz - haft, daß er sie fast mehr fürchtete, als wirklich endgültig zu sterben!
Manchmal fragte er sich, warum er sich überhaupt seit so langer Zeit an dieses Menschenleben klammerte. Vielleicht, weil ein anderer es ihm gegeben hatte und er es deshalb nicht von sich aus leichtfertig wegwerfen durfte?
Aber wieder einmal war er davongekommen. Zamorra war sehr erschöpft. Tendyke trug ihn auf seinen Schultern heim; Zamorra schlief einmal rund um die Uhr, ehe er wieder halbwegs ansprechbar war.
Wer der Feind im Hintergrund war, hatten sie nicht erfahren. Aber die unheimliche Waffe war vernichtet. Weder Tendyke noch Zamorra noch die anderen glaubten daran, daß es ein zweites Mordwerkzeug dieser Art geben konnte; wie Zamorra schon einmal erwähnt hatte: Dämonen, welche die Zeit manipulieren konnten, waren recht spärlich gesät.
»Wer weiß«, sagte Uschi Peters plötzlich, »wie es ausgegangen wäre, wenn wir nicht doch mit Old Sam telepathischen Kontakt aufgenommen hätten. Er war der eigentliche Warner. Wir können nicht herausfinden, aus welchem Grund er diese magischen Angriffe vorausahnte, aber vielleicht hat er euch beiden«, und sie lächelte Tendyke und Zamorra zu, »das Leben gerettet.«
»Wir hatten immerhin den Eindruck, daß er uns alle sympathisch findet.«
Tendyke räusperte sich. »Natürlich bin ich Old Sam dankbar«, gestand er. »Aber ich möchte doch zu gern wissen, was einen Menschen einem Alligator sympathisch macht.«
»Vielleicht der Geschmack«, meinte Zamorra.
Nicole erhob sich und faßte nach seiner Hand. »Komm, cheri, laß uns ganz schnell gehen«, sagte sie. »Oder stell überall Schilder auf, auf denen in Alligatorsprache steht: Wir sind ungenießbar.«
ENDE
[1] Siehe Professor Zamorra Nr. 483 »Die Seelen-Piraten«
[2] Siehe Professor Zamorra Nr. 350 »Wo der Teufel lacht«
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