0485 - Whisper - der Staubgeist
geschehen sind.«
»Welches Gerücht?« hakte ich nach.
»Nun ja, wir hören Radio. Man hat von einer Sperrung der Straße gesprochen.«
»Das ist wahr«, bestätigte ich. »Nur war es keine normale Sperrung. Das Tal, in dem die Stadt einmal lag, war mit Sand und Staub gefüllt.«
»Der über den Trümmern lag.«
»Nein, Monsieur Virni. So war es nicht. Es gab keine Trümmer. Sie haben sich aufgelöst. Der Sand waren die Trümmer.«
»Und die Menschen?«
»Ja.«
Virni schluckte. »Woher wissen Sie das alles? Was ist dort geschehen und weshalb?«
»Das werden wir noch herausbekommen. Janine Remi ist, wie gesagt, die einzige Überlebende. Bevor das Grauen begann, hat ihr Urgroßvater sie gewarnt. Er sprach von einer schrecklichen Katastrophe, die über Alcoste hereinbrechen würde. Das ist auch eingetreten. Die Katastrophe war der Sandsturm, der aus dem Süden kam und auch einen Namen hat. Whisper, der Staubgeist.«
Pierre runzelte die Stirn. »Den Namen habe ich noch nie gehört. Es muß eine andere, tiefe Legende sein, die nicht direkt aus unserer Umgebung stammt.«
»Das stimmt schon.«
»Aber wie kann man…?« Er hob die Schultern. »Ich begreife es nicht. Gebäude und Menschen lösten sich auf in Sand und Staub. Wie ist so etwas möglich?«
»Wir haben noch keine Ahnung, welche Kräfte tatsächlich dahinterstecken«, gab ich zu.
»Aber Sie wollen es herausfinden?«
»Deshalb sind wir gekommen.«
Virni nickte. »Und wo wollen Sie nachforschen. Hier bei uns in Alet-les-Bains?«
»Auch.«
Virni überlegte. Er kam auch zu einem Ergebnis. »Ich will ja nicht zuviel sagen und hineinreden, aber kann es nicht auch sein, daß Whisper weiterzieht?«
»Sicher.«
»Sie wissen, was ich damit sagen will?«
»Sprich es ruhig aus«, meldete sich der Abbé. Er hatte bisher schweigend zugehört. »Ja, mein Freund, es ist möglich, daß Whisper weiterzieht und auch uns nicht verschonen wird. Das heißt, er wird wie ein hungriges Raubtier über Alet-les-Bains fallen und versuchen, die Stadt zu schlucken. Zusammen mit den Menschen. Auch wir sollen zu Staub und in alle Winde zerstreut werden.«
Virni brauchte eine Weile, um die Worte zu verdauen. Dann nickte er und fragte gleichzeitig: »Was tun wir denn dagegen?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte ich. »Noch nicht.«
»Haben Sie denn eine Idee?«
»Nein.«
»Aber Sie müssen Whisper stoppen, wenn er über uns herfällt.«
»Falls wir die Möglichkeit haben, Pierre.«
Virni senkte den Kopf und nickte gleichzeitig. »Ich habe in der letzten Zeit immer daran gedacht, daß dies hier kein Paradies ist. Und wenn, dann nur ein verfluchtes.«
»Könnte das Skelett etwas tun?« fragte mich der Blinde.
Ich lachte. »Wie denn?«
»Du hast gesehen, daß es seinen Sarg verlassen konnte. Zumindest solltest du ihm einen Besuch abstatten.«
»Später vielleicht. Zunächst einmal muß ich daran denken, was uns an Waffen zur Verfügung steht.«
Süko zählte auf. »Wir haben zwei Berettas, du hast noch deinen Dolch, ich besitze die Dämonenpeitsche, den Stab…«
»Und ich habe meinen Bumerang.«
»Wo ist das Kreuz?« fragte Virni.
»Verschwunden«, erwiderte ich mit belegt klingender Stimme.
»Whisper hat es mir aus der Faust gerissen, als ich mich gegen ihn stemmte. Seine Kraft und Macht sind ungebrochen. Ich weiß nicht, wie wir gegen ihn ankommen können.«
»Dann habt ihr ihn gesehen?«
»Zumindest den Staub und den Sand. Das Tal ist jetzt leer. Alcoste ist wie vom Erdboden verschwunden.« Ich nahm einen Schluck Wein. »Es hat sich aufgelöst…«
»Und wo ist die Wolke hingewandert?« fragte der Wirt.
»In diese Richtung.«
Virni zuckte zusammen. »Das heißt also, daß auch wir mit dem Schlimmsten rechnen können.«
»So ist es.«
Er drehte sich auf der Stelle und ging dann auf den Blinden zu.
»Abbé, hast du keine Erklärung?«
Bloch schüttelte den Kopf. »Wir müssen vieles einstecken. Vielleicht aber bin ich auch daran nicht ganz schuldlos.«
»Weshalb?«
»Weil meine Freunde und ich hier wohnen.«
»Das ist doch Unsinn. Irgendwo müßt ihr doch hin, um euren Kampf gegen Baphometh durchzuführen. Ihr habt die Gegend doch befreit. Die Kathedrale der Angst ist jetzt kein Refugium der Hölle mehr. Nur dank eurer Hilfe.«
»Bestimmt denken nicht alle so in der Stadt«, bemerkte Suko.
»Man ist euch schon dankbar.« Virni hob die Schultern. »Aber wenn Whisper kommt, um Alet-les-Bains zu zerstören, dann…« Er wollte nicht mehr reden und
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