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0485 - Whisper - der Staubgeist

0485 - Whisper - der Staubgeist

Titel: 0485 - Whisper - der Staubgeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Spuk?«
    »Nein, es ist keiner Monsieur Virni«, sagte ich und lächelte dabei schmal.
    Er schaute uns der Reihe nach an und ging dann mit unsicher wirkenden Schritten auf den Abbé zu.
    Steif saß Bloch auf dem Stuhl. Er nickte in Virnis Richtung. »Ich höre dich, Pierre«, sagte er. »Ja, ich höre, wie du kommst, denn sehen kann ich dich nicht mehr.«
    »Mein Gott!« Virni wischte über seine Augen. »Darf es denn… darf es denn wahr sein?«
    »Ja, es ist wahr, mein Guter. Ich bin blind geworden. Das Schicksal oder die andere Seite haben es geschafft, mich zu einem Krüppel zu machen. Nichts ist mehr so wie früher, aber ich werde nicht aufgeben, das kann ich dir versichern.«
    Virni sagte nichts. Er konnte einfach nicht sprechen. Dicht vor dem sitzenden Abbé fiel er auf die Knie, faßte nach dessen Hände und preßte die Außenseiten gegen seine Stirn.
    Ungefähr eine Minute verging. Wir ließen die beiden Männer in Ruhe. Sie brauchten das, und ich hörte Pierre Virni schluchzen. Mit einem plötzlichen Ruck erhob er sich, blieb neben Bloch stehen und legte ihm eine Hand auf den Arm.
    »Willst du darüber sprechen, Abbé?« fragte er.
    »Später vielleicht.«
    »Gut, aber du bist gekommen, um bei uns zu bleiben.«
    »So hatte ich es versprochen, so werde ich es halten. Alet-les-Bains soll zu meiner Heimat werden. Hier wurde das Haus für uns gebaut, hier müssen wir bleiben.«
    Virni hatte den Worten des Abbé gelauscht. Sein zerfurchtes Gesicht zeigte einen qualvollen Ausdruck. Das Schicksal seines Freundes Bloch machte ihm schwer zu schaffen.
    Dann erwachte er wie aus einer tiefen Trance und schlug sich gegen die Stirn. »Pardon, ich bin unhöflich gewesen. Sicherlich möchten Sie etwas trinken und haben großen Durst.«
    »Den haben wir tatsächlich«, sagte ich und dachte dabei an den Staub und den Sand, den wir zu schlucken bekommen hatten. Wir waren noch immer nicht dazu gekommen, die Kleidung zu säubern.
    Für einen Fremden mußten wir aussehen wie Tramps.
    Virni trat hinter die Theke und füllte mehrere Gläser mit saftigem Landwein. Suko bat darum, noch Wasser bereitzustellen. Aus der Kühlung holte Virni eine große Flasche Mineralwasser. Er selbst brachte dem Abbé das Glas Wein und stieß mit ihm an.
    »Auf daß wir nicht den Mut verlieren und auch nicht den Glauben an die Zukunft.«
    »Das werden wir nicht, Pierre.«
    Wir hoben ebenfalls die Gläser. Der Wein schmeckte gut. Er gehörte zu den süffigen Tropfen und war nicht allzu schwer. Wir verteilten auch das Mineralwasser, während uns Virni berichtete, daß seine Familie wieder einmal unterwegs war. Mutter und Tochter lebten für eine Weile in Paris, sie hatten einfach weggewollt.
    »Und was ist mit Ihrem Sohn?« fragte ich.
    »Er reist ebenfalls herum und lernt. Zur Zeit ist er Chefkoch auf einem Kreuzfahrtschiff. Er hat allerdings versprochen, hier irgendwann einmal seßhaft zu werden. Ich hoffe, daß dies nicht erst nach meiner Beerdigung sein wird.«
    »Willst du schon sterben, Pierre?« fragte Bloch.
    »Nein, keinesfalls. Aber in meinen Jahren muß man damit rechnen. Ich bin 70, du hast gut reden, wo du zehn Jahre jünger bist.«
    »Dafür blind.«
    »Entschuldige, das…«
    »Schon gut.«
    Virni trank und schaute uns an. Auf Janine Remi blieb sein Blick länger hängen. »Ich kenne dich, Mädchen. Es ist zwar schon länger her, daß wir uns gesehen haben, aber du bist nicht zum erstenmal hier – oder?«
    »Nein, ich komme aus Alcoste.«
    »Ah, deshalb.«
    »Und diesen Ort gibt es nicht mehr«, sagte ich, weil ich sah, daß Janine den Blick senkte.
    Virni wollte lächeln, aber diese Reaktion zerbrach sehr schnell. Dafür schüttelte er den Kopf. »Was heißt das?« fragte er flüsternd.
    »Wieso gibt es den Ort nicht mehr?«
    »Er ist nicht mehr da«, sprach ich weiter. »Man hat ihn ausgelöscht. Ein Sand- und Staubsturm hat ihn vernichtet.«
    Virrris rechter Arm sank nach unten. Er stellte sein Glas weg und hauchte: »Was ist mit den Menschen?«
    »Janine hat als einzige überlebt, wie es aussieht.«
    Der Wirt bewegte seine Hände und rieb die Flächen gegeneinander. »Das begreife, wer will, ich kann es nicht. Verdammt, es ist mir unmöglich. Ihr könnt doch nicht sagen, daß Alcoste von einem Tag auf den anderen verschwunden ist, und mit ihm seine Bewohner. Das ist doch ein Ding der Unmöglichkeit.« Er mußte sich setzen. »Aber«, sprach er weiter. »Sie haben recht. Auch bei uns hat sich das Gerücht gehalten, daß schlimme Dinge

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