0487 - Im Tempel des Drachen
getroffen hatte, als Jane ihn verließ, aber zurückholen konnte er sie nicht. Ich hob den Hörer ab und wählte die Nummer des Superintendenten.
Sir James befand sich noch im Büro.
Wenig später wußte er Bescheid. »Dann kann ich die Aktion also abbrechen, John?«
»Ich meine ja.«
»Und Sie werden nach Tibet reisen.«
»Zumindest auf eine ungewöhnliche Art und Weise. Shao besitzt eine Kraft, die man sonst der Sonnengöttin zuschrieb. Wir werden die Reise leicht schaffen können.«
»Und wann höre ich wieder von Ihnen?«
»Wenn wir mit der Waffe zurück sind.«
»Was ist es für eine?«
Ich berichtete Sir James davon. Er konnte damit nicht viel anfangen, akzeptierte es aber.
»Dann kann ich Ihnen nur Hals- und Beinbruch wünschen. Und grüßen Sie Shao von mir.«
»Mach' ich, Sir.« Mir war schon ein wenig trocken in der Kehle, als ich auflegte und durch mein Haar strich.
»Wir sollten uns hinlegen«, schlug Yakup vor. »Ein nicht ausgeruhter Kämpfer ist eine leichte Beute für den Feind.« Er deutete auf die Couch. »Ich werde hier schlafen.«
»Okay.« Ich ging in das Schlafzimmer. Yakup würde schlafen können. Bei mir war das so eine Sache. Ich besaß nicht seine Ausbildung und Mentalität. Ich war Europäer und konnte die zahlreichen Gedankenströme nicht so lenken, daß sie einen ruhenden Pol bildeten. Irgendwann aber wurde die Müdigkeit zu groß.
Die Augen fielen mir zu, und ich schlief ein…
***
Wann ich geweckt wurde, wußte ich nicht. Ich bekam nur mit, wie man mich weckte. Jemand hatte das Zimmer betreten und schlich auf mein Bett zu. Ich merkte es im Unterbewußtsein, drehte mich auf die Seite und sah die schlanke, hochgewachsene Gestalt der Chinesin.
»Du solltest aufstehen, John«, sagte sie leise. »Ich habe den Ruf der Sonne gehört…«
Ich setzte mich auf und knipste das Licht an. Shao lächelte zu mir herab. Noch ein wenig benommen, strich ich durch mein Gesicht. »Richtig fit bin ich nicht.«
»Das wird schon noch werden.«
»Hoffentlich.«
Etwas mühsam quälte ich mich aus dem Bett, während Shao das Zimmer verließ.
Suko war hellwach, Yakup ebenfalls. Sie begrüßten mich mit einem fröhlichen »Guten Morgen«, während ich durch das Wohnzimmer schlich, als hätte ich am Abend zuvor eine halbe Flasche Whisky geleert. »Das tut ja schon weh, wenn ich euch so sehe.«
»Hast du schlecht geschlafen?« fragte Suko.
»Es geht.«
»Ich bin ausgeruht.«
»Trotz Shao?« Diese Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen.
Suko grinste. »Gerade deswegen. Es geht mir ja wieder gut.«
»Das freut mich.«
Ich schlich in die Dusche, gähnte unterwegs einige Male, und als ich unter den harten, prasselnden Strahlen stand, wurde die Müdigkeit durch die Wechselbäder tatsächlich weggespült.
Angezogen, frisch gekämmt, aber mit noch nassen Haaren betrat ich wieder den Wohnraum.
Ein Frühstück stand bereit. Ich schüttelte den Kopf. Es war eigentlich wie immer und dabei schwer vorstellbar, daß wir bald auf eine sehr lange, magisch geführte Reise gehen würden.
»Setz dich!« Shao schenkte Kaffee ein.
Wir aßen und sprachen nicht von unserem Vorhaben. Draußen ging langsam die Sonne auf. Im Wetterbericht hatten sie einen herrlichen Frühlingstag vorausgesagt. Wenn ich mir den wolkenlosen Himmel so anschaute, schienen die Experten sogar recht zu behalten.
»Und wie hast du dir die Sache vorgestellt?« wandte ich mich fragend an Shao. »Werden wir überhaupt den Tempel erreichen?«
»Das hoffe ich.«
»Vielleicht erwartet uns Shimada bereits«, meinte Yakup.
Ich schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Das wünsche dir nicht, mein Lieber.«
Jeder von uns besaß etwas von der fiebernden Spannung, die wie ein unsichtbarer Ring über uns lag.
Suko aber hatte nur Augen für seine Shao. Hin und wieder tastete er nach ihrer Hand. Er war innerlich aus dem Häuschen. Hoffentlich würde er sich später, wenn es sein mußte, auch konzentrieren können.
»Buddha sagte einmal«, begann Shao wieder, »wir formen die Welt mit unseren Gedanken. Daran sollten wir uns erinnern, wenn es gleich soweit sein wird. Eure Gedanken müssen rein sein. Sie müssen sich auf das konzentrieren, was in der nahen Zukunft liegt, aber dennoch uralt ist. Unsere Gedanken müssen rein sein, sonst wird sich die Kraft der Sonnengöttin nicht auf euch konzentrieren können.«
Ich warf einen Blick auf die Armbrust, die neben Shaos Stuhl lag. »Ist sie der Weg zu ihr?«
Die Chinesin nickte. »So ist
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