0487 - Im Tempel des Drachen
verschwunden waren.
Ich wußte, daß die Menschen des Hochlandes sehr gastfreundlich waren. Unser Auftauchen hatte sie irritiert, wir waren praktisch aus dem Nichts gekommen, dementsprechend wurden wir auch angestarrt.
Suko hatte den Mann erreicht. Sie begrüßten sich durch Verbeugungen und erwiesen sich so den gegenseitigen Respekt.
Am Rand des kleinen Lagers hatten sich die Neugierigen versammelt. Ihre Tiere, die Yaks standen in gebührender Entfernung und rupften das karge Hochlandgras.
Suko verstand den Mann, auch er wurde von ihm verstanden. Ich wunderte mich darüber, daß mein Freund den Hochland-Dialekt sprach. Möglicherweise hatte die Magie der Sonnengöttin dafür gesorgt.
Die beiden redeten miteinander und gestikulierten ebenfalls. Suko zeigte in die Ferne zu den Bergen hin, und der Tibeter nickte einige Male zur Bestätigung.
»Vielleicht fragt er ihn nach dem Tempel oder Kloster des Drachen«, flüsterte ich Yakup zu.
»Das kann schon sein. Ohne Grund wird Shao uns nicht hier abgesetzt haben.« Er schaute hoch in den klaren Himmel, wo einige Wolken noch über den Eisbergen wie weiße Inseln lagen. »Ein wunderschöner Tag, John. Ich hoffe, er wird so bleiben.«
»Ja, das hoffe ich auch. Vielleicht sind die Sonne und der blaue Himmel ein Omen.«
Suko drehte sich zu uns um und winkte. Wir gingen zu ihm. Unter unseren Füßen befand sich der rauhe, staubige Boden. Wir befanden uns auf einer Hochebene. Zu den Bergen im Norden hin sahen wir auf dem Boden einen breiten, grünblau schimmernden Fleck. Es war einer dieser zahlreichen Berg- und Gletscherseen, mit denen das tibetische Hochland reichlich gesegnet ist.
Suko stellte uns den Mann vor. Er hieß Tsang Lo, war Führer der Karawane, die uns ihre Gastfreundschaft anbot. Er grinste uns an und schien sich zu freuen.
Ich sagte: »Wir müssen weiter, Suko. Hast du ihn nach dem Tempel des Drachen gefragt?«
»Ja.«
»Und?«
»Er wird uns darüber berichten, wenn wir mit ihm Tee getrunken haben.«
»Gut.«
Der Tee in Tibet war ein und alles. Das gleiche galt für die Butter, die aus der Milch der Yaks gefertigt wurde. Man aß sie hier ranzig, beschmierte sogar die Haare damit und drehte sie zu Zöpfen.
Nicht-Tibetern wie mir drehte sich dabei der Magen um.
Die Männer, Frauen und Kinder lächelten uns an. Ihre Augen strahlten dabei. Manche schlugen auch gegen unsere Arme, als wollten sie herausfinden, ob wir auch echt waren.
Wir wurden in das größte Zelt geführt, wo ein Feuer in einer Schale brannte. Bewacht wurde es von einer Frau, die auf einem Teppich hockte und sich kaum umdrehte, als wir das Zelt betraten. Ich entdeckte Werkzeuge, auch Waffen, sah mehrere Felle übereinander liegen, die als Sitzplätze dienten, und freute mich über die Wärme.
Tsang Lo sprach einige Worte, und die Frau huschte aus dem Zelt. »Sie wird uns den Tee bringen«, sagte Suko, während er schon im Schneidersitz Platz genommen hatte.
Wir taten es ihm nach.
Als letzter ließ sich Tsang Lo nieder, schaute uns an, lächelte und nickte. »Was macht ihm so großen Spaß?« fragte ich Suko.
»Er freut sich eben über seine Gäste.«
»Hoffentlich kann er uns auch weiterhelfen.«
»Warte es ab, John. Nicht immer so voreilig.«
Die Frau brachte den Tee. Wir tranken ihn aus Bechern. Ähnlich wie die dicken Augen auf einer Fettsuppe, schwamm auf dem Tee eine Fettschicht.
»Das wird dem Magen aber guttun«, sagte ich.
»Probiere ihn trotzdem«, flüsterte Yakup. »Das gehört sich als Gast einfach so.«
»Ich sage ja nichts mehr.«
Wir tranken den Tee. Er schmeckte fettig und gleichzeitig bitter. Ich nahm nur einen kleinen Schluck. Tsang Lo aber verdrehte die Augen und rieb die Handflächen gegeneinander.
Das Gespräch führten Suko und er. Yakup und ich saßen schweigend daneben, aber wir konnten uns auf Suko verlassen, er würde den Dialog schon in die richtigen Bahnen lenken.
Oft genug unterstrich der Nomadenführer seine Worte mit großen Gesten. Hin und wieder deutete er gegen die Decke des Zelts, als wollte er in den Himmel zeigen.
Suko nickte ein paarmal und zwinkerte mir auch zu. Zwischendurch nippte er am Tee.
Dann betrat die Frau wieder das Zelt. Sie sagte etwas und verbeugte sich dabei.
Suko hörte aufmerksam zu. Ich erkannte, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Er nahm eine gewisse Spannung an.
»Was ist denn?«
»Ich weiß es nicht so genau. Es könnte aber etwas Unangenehmes sein. Warte noch.«
Tsang Lo schlug mit der flachen
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