0487 - Im Tempel des Drachen
Verbündeten gefährlich sind. Nicht nur das. Sie sind auch schlau. Sie wissen, worauf es ankommt. Für mich ist es wichtig, einen bestimmten Ort in Tibet zu finden. Wie ich Sinclair aber kenne, wind er alles daransetzen, um ebenfalls nach Tibet zu gelangen. Wenn er es schafft, werde ich ihn dort erwarten. Ich lasse euch am Leben. Ihr könnt eure Arbeit fortführen, aber hütet euch, mir wieder in die Quere zu kommen. Dann würde ich keine Rücksicht mehr kennen.«
Shimada sprach die Worte und wandte sich gleichzeitig ab. Er ging davon und trat in ein bläuliches Licht hinein, das wie eine dichte Wand innerhalb des Raumes stand und aus dem Nichts gekommen war.
Es umflorte ihn für einen winzigen Moment, dann hatte es die Gestalt verschluckt und verschwand.
Zurück blieben fünf Männer. Vier lebende und ein toter.
Die Leibwächter wagten nicht, sich zu rühren. Selbst O-Shin, Kerengas Vertrauter, sprach kein Wort. Der Asiate holte ein Taschentuch hervor und tupfte damit das Blut von der Stirn. Dann ging er mit wankenden Schritten auf einen Sessel zu und ließ sich hineinfallen. »Wasser!« flüsterte er, »holt mir Wasser.«
Einer der Männer lief ins Bad. Wenig später kam er mit einem gefüllten Glas zurück, das er Kerenga zwischen die zitternden Hände drückte. Der Mann hielt es mit beiden Händen fest, hob es an die Lippen und leerte es bis zum letzten Tropfen.
Er hatte die schwerste Niederlage seines Lebens erlitten. Sollte er nun aufgeben?
Seine Blicke waren ins Leere gerichtet. Er wirkte deprimiert, völlig am Ende.
Aber er zuckte zusammen, als er plötzlich Schritte hörte. Auch seine Leibwächter fuhren herum.
Im Raum vor ihnen sahen sie zwei Männer.
John Sinclair und Suko!
***
Wir hatten es tatsächlich geschafft, die Hotelsuite zu betreten, obwohl es Yakup Mühe gekostet hatte, die Tür zu öffnen. Er hatte bewiesen, daß seine Waffen auch zu anderen Tätigkeiten zu gebrauchen waren. Jedenfalls war die Tür aufgebrochen.
Yakup war als Unsichtbarer gewissermaßen unsere Lebensversicherung. Wir hatten mit dem Schlimmsten gerechnet, mit toten Männern, die möglicherweise in der Suite lagen, aber wir waren überrascht, daß sie noch lebten, bis Suko und ich das zweite Zimmer betraten und quer über dem Sessel die Leiche des Leibwächters liegen sahen.
Kerenga saß in einem anderen Sessel. Er lebte noch. Seine Hände hielt er um die Lehnen gekrallt.
Er starrte uns an und gleichzeitig auch ins Leere.
Shimada hatte ihn gezeichnet. Kerenga blutete an der Stirn. Seine Kleidung war ebenfalls zerrissen.
Daß dafür eine Schwertklinge gesorgt hatte, sah ich sofort.
Die drei Leibwächter rührten sich nicht vom Fleck. Sie hielten keine Waffen in den Händen, wahrscheinlich warteten sie auf einen Befehl ihres Chefs.
Ich trat dicht an ihn heran.
Kerenga rührte sich nicht, bis ich ihn ansprach und ihm erklärte: »Sie haben verloren.«
Da hob er den Kopf. Durch das Blut, das er nicht völlig weggetupft hatte, wirkte sein Gesicht wie eingepinselt. »Wir alle haben verloren«, flüsterte er.
»Sie haben ihm den Plan gegeben?«
»Ich mußte es tun.«
»Und?«
»Er ging weg.«
»Wohin?« Ich stellte die Fragen sehr schnell. Noch befand er sich unter einem Schock.
»Er trat hinein in die blauen Schatten und verschmolz mit ihnen.«
»Hat er nichts hinterlassen?«
»Nein, es reichte ihm. Die drei Teile des Plans reichen aus, um zu wissen, wohin er mußte. So einfach ist es.«
»Weiß er denn auch, wer den vierten Teil besitzt?«
»Ja.«
»Braucht er ihn unbedingt?«
»Sie haben Glück, Sinclair, er braucht ihn nicht. Aber denken Sie nur nicht, daß Sie außer Gefahr sind. Shimada erwartet Sie und Ihre Freunde.«
»Wo könnte er uns denn erwarten?« fragte Suko.
»Es ist nicht nah, sehr weit von hier, in einem anderen, fernen Land. Dort wird er nach dem suchen und forschen, was auf dem Plan zu finden ist.«
»Eine Waffe!« sagte Suko.
»Ja.«
»Und welche?«
»Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Sie liegt in Tibet, und dort werde ich auch hingegen.« Nach diesem Satz ging ein Ruck durch seine Gestalt. Mit einer militärisch zackig wirkenden Bewegung stand er auf, blieb vor mir stehen und starrte mich an.
»Sie allein?« fragte ich.
»Ja. Shimada und ich sind keine Feinde, Sinclair. Wir standen vorhin auf verschiedenen Seiten, aber er hat zu erkennen gegeben, daß er keinen Haß gegen mich hegt. Vielleicht können wir uns einigen, aber dazu brauchen wir Sie nicht, nur den Teil Ihres
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