0488 - Blutregen

Zustand »Doppelbelichtung« genannt, aber von Fotografie hatte der Namenlose keine Ahnung. Natürlich hatte er längst viele Fotos gesehen, doch wie man sie anfertigte, entzog sich seiner Kenntnis.
    Erschrocken tauchte er noch einmal zwei Finger in den Regenbogenhonig und leckte den süßen Stoff.
    Das fremde Bild wurde deutlicher… !
    Verwirrt sah der Gnom zwischen dem Honig und den Regenbogenblumen hin und her. Es sah so aus, als hätte dieser Honig, der durch Magie entstanden war, genügend magische Kraft in sich gespeichert, daß der Namenlose jetzt direkt in die fremde Landschaft sehen konnte!
    »Potzblitz«, murmelte er. »Das ist doch wunderlich!«
    Die verbrannte Landschaft mußte das Ziel sein, an das Don Cristofero, Zamorra und nun wohl auch seine Mätresse gelangt waren. Das zumindest hatte der Namenlose mit seinem Zauber herausfinden wollen. Aber nach ihrer Ankunft schien das ganze Gelände von einer Feuersbrunst heimgesucht worden zu sein, welcher bedauerlicherweise auch die Blumen zum Opfer gefallen waren!
    Was der Gnom nicht hatte herausfinden können, war, ob die Gesuchten in eben diesem Feuer umgekommen waren, oder ob es ihnen vorher gelungen war, sich zu entfernen.
    Die Zerstörung der Blumen war fatal. Der Gnom kannte nun zwar die Gegend, aber weder konnte jemand hinter den Gesuchten herreisen, um ihnen Hilfe zu bringen, noch konnten sie selbst zurückkehren. Das ging nur, wenn es in ihrer Nähe ebenfalls Blumen gab, und das war nicht mehr der Fall.
    Je mehr Honig sich der verwirrte Gnom einverleibte, desto klarer wurde die »Doppelbelichtung«. Er konnte diesen Pflanzensproß jetzt schon sehr deutlich sehen. Die Knospe war reichlich dick geworden. Und am Himmel zeigte sich ein grünlicher Lichtschimmer, gerade so, als setze die Morgendämmerung ein.
    Eine grüne Morgendämmerung?
    »Das ist ja verrückt!« entfuhr es dem Namenlosen. »Ich glaube, ich bin berauscht.«
    Aber von dem bißchen Honig?
    ***
    »Ich glaube, die Nächte sind hier ziemlich kurz«, sagte Nicole, während der türkisfarbene Schimmer sich immer weiter aufhellte. »Als ich ankam und das Feld der Regenbogenblumen abgefackelt wurde, wurde es gerade Nacht. Und das ist erst ein paar Stunden her.«
    »Hochsommer«, vermutete Zamorra. »Kalt ist es nämlich auch nicht.«
    Nicole vermutete eher eine raschere Planetenrotation. Diese Nachtphase war ihr nämlich auch für den Hochsommer zu kurz. Eine schnellere Umdrehung deutete jedoch auf einen wesentlich schwereren, massiveren Planetenkern hin, denn die Schwerkraft glich der der Erde. Bei schnellerer Drehung aber hätte sie durch die Oberflächenfliehkraft niedriger ausfallen müssen.
    Zamorra grinste. »Hoffentlich sind die Tage nicht genauso kurz wie die Nächte, sonst werden wir schneller zu Greisen, als wir diese Welt wieder verlassen können.«
    »Du glaubst, daß wir es schaffen?« fragte Nicole.
    Zamorra nickte. »Natürlich. Wir müssen nur nach anderen Regenbogenblumen suchen. Das kann zwar Jahre dauern, aber irgendwann werden wir fündig, und dann kehren wir in unsere Welt zurück. Mich wundert nur, daß Xolox das Feld einfach niederbrennen ließ. Es kann ihm nicht nur darum gegangen sein, euch im Feuer zu fangen, oder uns die Rückkehr unmöglich zu machen. Sie müssen doch einfach wissen, welche Bedeutung diese Blumen haben.«
    »Und wenn sie es nicht wissen?« gab Nicole zu bedenken.
    Zamorra runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Es könnte ja sein, daß sie die Transporterfähigkeit nie herausgefunden haben. Wenn wir ›unsere‹ Blumen nicht unter recht merkwürdigen Umständen bemerkt hätten, wären wir möglicherweise immer noch ahnungslos. Denn dann hätte einfach gar nicht das Bedürfnis bestanden, sie zu benutzen oder überhaupt zu erforschen. Dann wären sie für uns nur äußerst exotische Blumen gewesen, nicht mehr und nicht weniger.«
    Mit dieser Schlußfolgerung konnte Zamorra sich nicht ganz anfreunden. »Das Feld sah aus wie angepflanzt, sagtest du«, erinnerte er sie. »Wer solche riesigen Plantagen anlegt, verbindet damit immer einen bestimmten Zweck.«
    »Vielleicht ernten sie das Zeug ab und tun die Blätter in die Suppe, oder sonstwas«, überlegte Nicole.
    »Und dann wird so ein riesiges Feld einfach abgebrannt?«
    »Bei uns werden doch ganze Ernten vernichtet, wenn die EG es so will«, gab Nicole sarkastisch zurück. »Vielleicht gibt’s hier auch so eine überregionale Organisation, die lieber mit viel Geld