0488 - Die Mumie und der Totengott
warten.
Zunächst kam niemand. Die zwölf Diener der Kriegsgöttin Sechmet wußten aber trotzdem genau, was sie zu tun hatten. Sie griffen unter ihre Gewänder und holten etwas hervor, von dem Suko zunächst nicht wußte, was es war, bis sie die Gegenstände auseinanderfalteten und sie über ihre Köpfe streiften.
Jetzt erkannte Suko die Wahrheit.
Die Diener hatten sich Löwenmasken aufgesetzt, um ihrer Göttin gleich zu sein.
Für Suko als Beobachter wurde die Geschichte immer verworrener. Und es überraschte ihn, als plötzlich das Murmeln der Stimmen verstummte.
Stille breitete sich aus.
Die Lautsprecher schwiegen, auch die Diener wagten kaum zu atmen. Suko spürte auf seinem Rücken das gewisse Kribbeln. Es stellte sich immer dann ein, wenn er spürte, daß ein wichtiges Ereignis dicht bevorstand.
Auch jetzt sollte er sich nicht irren.
Die Diener rührten sich nicht vom Fleck. Suko konnte nicht erkennen, ob einige von ihnen in die Höhe schielten. Das Risiko einer Entdeckung wollte er so gering wie möglich halten, deshalb legte er sich flach auf die Holzbohlen und schaute über den vorderen Rand.
Sein Blickfeld hatte sich nicht verändert, er beobachtete die zwölf Diener der Kriegsgöttin Sechmet.
Sie standen ebenfalls an den Außenseiten des Sterns und bewegten sich auch nicht, als sich abermals an einer bestimmten Stelle die Wand öffnete und den entließ, auf den die Diener gewartet hatten.
Es war ein Greis.
Ein uralter Mann, der mit gemessenen Schritten den tempelartigen Keller betrat und etwas auf seinen ausgestreckten Armen hielt, das wie eine Puppe aussah.
Suko interessierte sich zunächst für den Mann. Der Inspektor besaß hervorragende Augen. Er schaute sich das Gesicht an. Bei dem Greis handelte es sich um einen Europäer. Er besaß eine graue Haut, scharfe Falten rechts und links der schmalen, etwas gekrümmten Nase, die erst an den Mundwinkeln endeten.
Von seinen Haaren war nichts zu sehen, weil eine mitraähnliche Haube sie verdeckte. Dadurch wirkte die Stirn noch höher, ebenfalls die hochgeschwungenen Augenbrauen und der leicht gekrümmte Mund. Alles zusammen gab dem Gesicht einen ungemein hochmütigen und auch menschenverachtenden Ausdruck.
Suko dachte darüber nach, wer der alte Mann in dem mit Goldfäden bestickten dunkelroten Gewand wohl sein könnte. Nach einigem Überlegen kam er auch zu einer Antwort.
Das Haus gehörte einem gewissen Lord Ralston, einem alten, etwas kauzigen Adeligen. Der als Hohepriester verkleidete Europäer konnte durchaus dieser Lord sein.
Zwei Sechmet-Diener lösten sich aus der Reihe und schoben aus dem Hintergrund der Tempelhalle eine auf Gummirädern laufende Trage herbei, die sie in den Kreis hineinfuhren.
Der Hohepriester wartete, bis die Räder festgestellt waren, und legte die Person, die über seinen Armen lag, mit dem Rücken auf die Trage. Dabei breitete sich das schwarze Haar wie ein Vlies um den Kopf des Mädchens aus.
Eine Puppe war es nicht, wie Suko zuerst angenommen hatte.
Diese junge Frau stand unter einem gewissen Bann, möglicherweise unter Drogen. Sie trug ein schlichtes Gewand aus Leinen. Ihre schmalen Füße steckten in Sandalen, aber das interessierte den Chinesen nur am Rande. Für ihn war das blasse Gesicht wichtiger.
Er hatte es schon gesehen.
Aber wo?
Suko zermarterte sich den Kopf darüber, ließ die letzten Fälle Revue passieren, nur kam er noch nicht darauf, wer das Mädchen wohl sein konnte. Bis er den Einfall hatte.
Das war Miriam Kirk. Ihr Gesicht hatte er in den Zeitungen gesehen. Denn Miriam Kirk, die Tochter eines sehr reichen Vaters und als Jetset-Mädchen bekannt, war seit knapp vierzehn Tagen spurlos verschwunden. Großangelegte Suchaktionen hatten nichts gebracht.
Gewisse Zeitungen hatten Extremisten und Terroristen die Schuld an der Entführung in die Schuhe geschoben, aber keine Gruppe hatte sich bisher gemeldet.
Miriam Kirk galt in ihren Kreisen als etwas außergewöhnlich, weil sie sich für Dinge interessierte, die man mit dem großen Oberbegriff Jenseitslehre umschreiben konnte.
Nun lag sie in diesem Tempel auf einer Trage. Der Grund war Suko längst klar.
Miriam Kirk sollte geopfert werden!
***
War sie freiwillig zu den Sechmet-Dienern gestoßen? Hatte sie ihr Leben angewidert? War der Jetset einfach zu viel gewesen, alles kam bei einer extremen Person wie Miriam Kirk in Frage, aber die Gründe waren für Suko uninteresssant geworden, er mußte vor allen Dingen vesuchen, das Mädchen zu
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