0488 - Die Mumie und der Totengott
fest, aber der Hohepriester verschwand im Hintergrund der Kammer, wo sie noch düsterer war, und holte etwas hervor.
Als er sich umdrehte und mit dem Gesicht in den Widerschein des Feuers geriet, sah ich das Lächeln auf seinen Lippen. Er schob die Arme vor und streckte seine Hände aus.
Auf den Handflächen stand die Pyramide!
Ein gläsernes kleines Kunstwerk, aber durchaus mit der zu vergleichen, die ich entdeckt hatte.
Er schritt auf mich zu und stellte die Pyramide neben das tote Mädchen ab.
Dann nickte er.
Die Bewacher griffen härter zu. Ihre Hände hatten sich wie Schraubenzangen um meine Arme gelegt. An die Füße allerdings hatten sie nicht gedacht. Die konnte ich bewegen.
Was der Hohepriester genau zu mir sagte, hörte ich nicht. Doch aus dem Klang der Worte hörte ich deutlich die Drohung heraus, die er gegen mich aussprach.
Und er zog seine Waffe.
Einen langen Obsidiandolch, wie man ihn in diesem Land schon immer verwendet hatte.
Ein Opfermesser…
Mit der rechten Hand umklammerte er den Griff. Sein Gesicht hatte dabei einen noch härteren Ausdruck angenommen. Die Augen blickten grausam, der Mund bildete einen auf den Kopf gestellten Halbmond.
»Sechmet – Sechmet!« sprach er abgehackt und keuchend. Er putschte sich selbst dabei auf. Ein Fanatiker, der unbedingt einen Mord begehen wollte.
Die Zuschauer verfielen in eine Art von Trance. Auch sie wiederholten den Namen der Göttin. Den Sprech-Rhythmus behielten sie ebenfalls bei, und sie putschten sich gegenseitig so weit auf, daß sie nur darauf warteten, meinen Tod zu erleben.
Die Göttin riefen sie an, die Göttin sollte ihnen Kraft geben. Ihr Murmeln erfüllte den Raum. Jedes Wort wurde für mich zu einem Teil der tödlichen Melodie.
Der Hohepriester trat noch einen Schritt näher. Ich hatte mich auf seine Augen konzentriert. Dort las ich den Fanatismus im Blick und konnte mir ausrechnen, wann er zustoßen würde.
Ich war schneller.
Mein Bein »flog« ihm entgegen. Ich hatte mit einer solchen Wucht getreten und auch so gedankenschnell, daß er nicht mehr dazu kam, auszuweichen.
Der Hohepriester brach sein Rufen ab. Er blieb für einen Moment stehen, sein Gesicht verzerrte sich. Diesmal war es der Schmerz, dann sackte er plötzlich zusammen, seine Hände bewegten sich dabei auf den Bauch zu, so daß es so aussah, als würde er sich die Klinge im nächsten Augenblick selbst in den Körper jagen.
Der Dolch rutschte aus seiner Hand. Er blieb vor den Füßen des Mannes liegen.
All das geschah sehr schnell, und die Diener der Göttin begriffen erst jetzt, was ich da getan hatte. Dieser Frevel war für sie ungeheuerlich, sie waren stumm.
Ich nutzte den Moment der Überraschung. Mit einer blitzschnellen Drehung und Bewegung gelang es mir, mich aus den Griffen der Bewacher zu drehen. Bevor sie nachfassen konnten, hatte ich meine Chance genutzt und war über den am Boden liegenden Hohepriester hinweggesprungen.
Wenn es eine Möglichkeit gab, den Spieß umzukehren, dann mußte ich jetzt handeln.
Der nächste Sprung brachte mich bis dicht an die Mumie. Ich wollte nicht sie, sondern die Pyramide und wunderte mich, wie schwer sie war, als ich sie in der linken Hand hielt, den Arm anhob und sie den Sklaven zeigte.
Es war nur ein Versuch gewesen. Ich wunderte mich darüber, wie gut er einschlug, denn die Männer änderten ihre Haltung.
Mir kam es vor, als hätten sie Angst. Zuerst erstarrten sie, dann verzogen sich ihre Gesichter. Einige von ihnen begannen zu jammern, andere schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. So einen Frevel, wie ich ihn begangen hatte, das war für sie einfach nicht faßbar, während sich der Hohepriester allmählich vom Boden erhob.
Mit einer Hand stützte er sich ab, die andere hielt er auf seine getroffene Stelle gepreßt. Mühsam drehte er den Kopf, weil er mich anschauen wollte.
Aus seinem Mund drang ein röchelnder Laut. Er hatte die Pyramide in meiner, in der Hand eines Unwürdigen gesehen. Das konnte er einfach nicht hinnehmen.
Sie mußte für ihn ein heiliger Gegenstand sein, aber ich ging noch weiter.
Schon einmal hatte mir mein Kreuz geholfen. Wenn es in Ägypten je eine Weiße Magie gegeben hatte, so war diese durch die Zeichen auf meinem Kreuz vertreten.
Den Hohepriester, Sechmet und deren Diener zählte ich zur anderen Seite.
Also mußte es klappen!
Ich hatte mein Kreuz nicht wieder umgehängt. Der Griff, mit dem ich es aus der Tasche zog, war unzählige Male geübt. Als es gesehen werden
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