0488 - Die Mumie und der Totengott
sich das. Bevor ich Ihnen etwas erkläre, will ich mehr über die großen Dinge wissen, die sich angeblich anbahnen. Auf was sind Sie so stolz, Lord Ralston?«
»Auf uns und auf die Göttin.«
»Gehören Sie zu einer Sekte?«
»So kann man es auch ansehen. Wir haben einen alten ägyptischen Totenkult wieder ausgraben können. Er war die Zeit über verschüttet gewesen, doch wir haben ihn gefunden. Einen Totenkult, der Sechmet geweiht war, der Göttin des Krieges. Die meisten wollten von ihr nichts wissen, auch schon damals im Land der Pharaonen nicht, aber wir haben uns wieder erinnert, und sie hat uns erhört. Durch ihre Kraft ist es uns möglich, die Vergangenheit und die Gegenwart zu verbinden. Ich war in Ägypten und habe dort die Pyramide gefunden.«
Suko lächelte schmal. »Und die haben Sie dann quer über das Mittelmeer hinweg nach England transportiert.«
»Natürlich.«
»Komisch, das hätte auffallen müssen.«
»Nein, Sie Polizist. Die Pyramide kann sich verkleinern. Sie war, als wir sie fanden, nicht größer als zwei übereinandergestellte Kaffeetassen. Verstehen Sie? Mehr nicht. Aber wer den Kontakt zur Göttin Sechmet hat, kann sie vergrößern und der Göttin die entsprechende Heimat geben. Noch steht hier die Statue, doch die Pyramide gibt der Göttin eine Heimat, auch in der Gegenwart.«
»Sehr schön«, sagte Suko. »Und was hat Miriam Kirk damit zu tun? Sie haben Sie entführt…«
»Nein, sie gehört zu uns. Sie kam freiwillig. Ich habe sie von den Lehren der Göttin überzeugen können. Sechmet liebt sie.«
»Hat Sie Ihnen den Mist geglaubt?«
»Reden Sie nur, Sie irren sich, weil Sie nicht sehen wollen oder nicht sehen können. Miriam war bereit, für die Göttin zu sterben und ihr Herz zu geben.« Bei den letzten Worten hatte der Lord seine mageren Arme angehoben. Er blieb in dieser Haltung stehen, und sein Blick bekam einen feurigen Ausdruck.
»Das habe ich mir gedacht«, sagte Suko leise. »Aber dabei hört der Spaß auf.«
»Es ist kein Spaß.«
»Was wäre geschehen, wenn Miriam gestorben wäre.«
»Dann wäre es zu einem Austausch gekommen. Eine Dienerin aus der Vergangenheit wäre mit der aus dieser Zeit zusammengetroffen. Sie hätten eine Einheit gebildet, ein Kraftstrom wäre entstanden, der die Göttin gerufen hätte.«
»Sie wäre also zurückgekehrt.«
Lord Ralstons Arm schnellte so hart vor, daß Suko erschrak. »Jawohl!« schrie er laut. »Schau dir die Statue an. Noch ist sie unbeweglich, aber sie kann mit Leben erfüllt werden, wenn sich zwei aus verschiedenen Zeiten hergeben und den alten Toten- und Opferkult wieder aufleben lassen. So steht es geschrieben, so habe ich es bei meinen Reisen gefunden. Das mußt du hinnehmen.«
»Nicht mehr«, erklärte Suko und warf einen schnellen Blick auf die totenbleiche Miriam. »Ich habe die gläserne Pyramide gesehen, bevor sie verschwand, und ich sah auch die Mumie zusammen mit dem schakalköpfigen Totengott Anubis. Ich weiß, daß du nicht gelogen hast, doch ich werde verhindern, daß es zu dieser grauenvollen Tat kommt.«
»Und wie?«
»Das ist ganz einfach. Wir werden zusammen diesen Keller hier verlassen. Sagen Sie Ihren Helfern, daß sie vorgehen sollen. Ich bleibe noch ein wenig hier und halte Sie in Schach. Sollte einer Ihrer Helfer versuchen, mich reinzulegen, werden Sie es büßen, Lord.«
»Damit kommen Sie nie durch!«
»Lassen Sie es darauf ankommen.«
»Und wo wollen Sie uns hinschaffen?«
Suko lachte leise. »Nicht alle, Lord, nein, nur wir beide. Wir werden der gläsernen Pyramide einen Besuch abstatten.«
»Sie ist verschwunden!« schrie der Hohepriester.
»Was verschwindet, taucht auch wieder auf!« erklärte Suko lässig.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Ich weiß es eben. Außerdem können wir beide es uns zusammen anschauen.«
Der Hohepriester schwieg. Er warf statt dessen einen Blick auf die Statue, und Suko schüttelte den Kopf. »Mit ihr, mein Lieber, werden Sie kein Glück haben. Sie wird das bleiben, was sie ist, eine Figur aus Stein, in die kein dämonisches oder magisches Leben hineinwächst. Aber kommen wir zu anderen Dingen. Sagen Sie Ihren komischen Heiligen, daß sie den Raum verlassen sollen. Wir beide bleiben bis zum Schluß.«
Lord Ralston, der sich als Hohepriester fühlte, überlegte nicht mehr. »Tut, was er verlangt hat!«
Es sah so aus, als wollte sich in den Reihen der Männer Widerstand regen. Schließlich sahen sie ein, daß es besser war, der Aufforderung zu
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