0491 - Der Blutjäger
ich kommen werde.«
»Das ist gut.«
Wir gingen auf das Friedhofstor zu. Ich schaute mich derweil um, konnte aber nichts Verdächtiges sehen. Dieser Ort schlief bereits dem Abend entgegen. Direkt störend wirkte der Lärm eines Mopedmotors, der zu uns rüberklang.
Das Tor war offen.
Ich blieb in der Öffnung stehen und ließ meine Blicke über den Friedhof gleiten. Er wirkte gepflegt, das einmal vorweggenommen. Auf den zweiten Blick aber mußte der Betrachter feststellen, daß hier etwas nicht stimmte.
Zwar waren nicht alle Gräber zertrampelt, aber man hatte sich doch an ihnen zu schaffen gemacht.
Hier und da war eine Blumenschale umgekippt, oder Pflanzen herausgerissen. Auch die Grabsteine standen nicht mehr so wie vorher.
Ich fragte Eva Leitner. »Sehen Ihre Friedhöfe eigentlich immer so aus?«
Sie schüttelte den Kopf und schwieg zunächst. Etwas hilflos hob sie die Schultern an, während wir vorschritten. »Ich verstehe es selbst nicht«, sagte sie leise. »Das ist hier noch nie vorgekommen. Sie müssen mir glauben.«
»Das tue ich auch. Es sieht jedenfalls so aus, als hätte sich jemand hier auf dem Friedhof zu schaffen gemacht.«
Vor einem breiten Familiengrab blieb Eva stehen. Auffallend war das mächtige Steinkreuz mit seinen breiten Balken, wo alle Namen der Verstorbenen Platz hatten. Dieses Kreuz stand ebenfalls schief. Es war zur rechten Seite geneigt und sah so aus, als würde es jeden Augenblick kippen.
»Wer das getan hat, muß unwahrscheinliche Kräfte gehabt haben«, flüsterte Eva.
»Und Vampire haben Kräfte.«
Sie schaute mich an und war blaß geworden. »Ich bin gespannt, was der Totengräber dazu sagt.«
»Lassen Sie uns zu ihm gehen.«
Plötzlich war der Tag für mich nicht mehr so schön, obwohl die Sonne weiterhin am wolkenlosen Himmel stand.
Mich fröstelte, und ich schaute mich auch des öfteren um. Möglicherweise besaß der Vampir Helfer, die in der Nähe lauerten. Daß sich der Blutsauger persönlich zeigen würde, daran glaubte ich nicht.
Es war einfach zu hell.
Wenn es möglich war, schritten wir nebeneinander über die gepflegten Wege, die wie ein schachbrettartiges Muster das Gelände des Friedhofs durchkreuzten.
Die breiten waren mit hellem Kies bestreut. Auf anderen lagen in unregelmäßigen Abständen graue Steinplatten. Wir passierten ein Wasserbecken und mehrere Komposthaufen.
Dahinter lag der neuere Teil des Friedhofs. Ein Grabhügel war noch frisch. Auf ihm lagen Kränze und Blumen, die allmählich vermoderten. Eva blieb stehen und deutete auf das Grab. »Dort liegt meine Schwester Karin begraben«, erklärte sie.
Ich ging näher. Schon bald lief ich über braungelben, feuchten Lehm. Eva war mir gefolgt. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie leise. »Jemand hat das Kreuz aus der Erde gezogen.«
»Da liegt es«, sagte ich und schaute auf die zerbrochenen Holzstücke.
»Mir wird langsam unheimlich«, hauchte sie.
Als wäre dieser Satz von irgendwelchen Wesen verstanden worden, schob sich plötzlich eine breite, dunkelgraue Wolke vor die Sonne und verdüsterte das Licht, so daß sich Schatten ausbreiten konnten, die auch über den Friedhof und die Gräber strichen.
»Franz wird uns bestimmt mehr sagen können«, meinte Eva.
»Wohnt er dort?« Ich deutete auf ein Haus, hinter dem einige Bäume kühlen Schatten spendeten.
»Ja und nein. In diesem Haus werden die Toten aufbewahrt. Es enthält auch eine kleine Leichenhalle, wo die Trauerfeiern für die Verstorbenen stattfinden. Wir müssen herumgehen, der Totengräber wohnt in einem kleinen Anbau.«
Ich ließ Eva den Vortritt und warf noch einen Blick zurück auf das Gräberfeld.
Da gab es keinen einzigen Grabstein, der nicht verändert worden war. Zumindest hatte man es an jedem versucht, damit kam ich nicht zurecht. Hatte hier jemand den Friedhof von christlichen Symbolen befreien wollen, um vielleicht an die Toten zu gelangen, von denen oft nur mehr alte Gebeine übriggeblieben waren.
Die Leichenhalle besaß an der Seite keine Fenster. Zum Anbau führte ein plattierter Weg, der vor einer breiten Treppenstufe endete. Die Haustür lag in einer kleinen Nische.
Eva schellte nicht, sie klopfte gegen die Tür. Nach dem dritten Schlag ging sie überrascht einen Schritt zurück, denn sie sah, ebenso wie ich, daß die Tür nach innen schwang.
»Er hat nicht abgeschlossen.«
Ich hob die Schultern. »Wer sollte bei einem Totengräber schon etwas stehlen.«
»Da haben Sie auch wieder recht.« Die Frau
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