0491 - Der Blutjäger
seine Hände dicht an den Körper, damit ihm nicht noch einmal so etwas passierte. »Du bist ein Vampir«, sagte ich. »Du willst Blut haben, du gehörst nicht mehr zu den Menschen, obwohl es so erscheint. Wie ist das passiert? Wer hat dich dazu gemacht?«
»Er war es.«
»Wer ist er?«
»Er kommt aus den Tiefen der Erde, wo er schon seit langer Zeit gelegen hat. Viele kennen ihn, aber nur wenige haben ihn gesehen. Die Legende erzählt von ihm.«
»Wie heißt er?«
»Er ist der Blutjäger!«
Den Namen hörte ich zum erstenmal, wandte mich aber um und schaute Eva fragend an, die nickte.
»Sie kennen ihn?«
»Ich hörte von ihm. Das heißt, ich kenne die Legende. Die Menschen haben sie aufgebaut. Blutjäger oder Wächter der Höhlen. Er muß vor Urzeiten gelebt haben, ist irgendwann versteinert und scheint wieder erwacht zu sein.«
»Wie kann er das?« fragte ich.
»Wenn man der Legende Glauben schenken soll, geht dies nur, wenn er frisches Blut bekommt. Das hat er wohl gekriegt.«
»Ja, ja!« hörten wir den Totengräber keuchen. »Er hat Blut bekommen. Es ist in sein Maul getropft. Zwei Männer, die durch seine Höhle gingen, haben sich verletzt. Das Blut des einen ist in das Maul getropft, deshalb konnte er erwachen.«
»Wie sieht er aus?« wollte ich wissen.
Der Vampir wurde plötzlich aufgeregt. »Er ist groß, er ist gewaltig, er ist wunderschön.«
»Ich will wissen, wie er aussieht.«
»In der Nacht«, zischelte der Blutsauger, »erschien ein gewaltiger Schatten. So groß, daß er fast den gesamten Friedhof mit seinen Schwingen bedeckte. Er löste sich aus dem Dunkel. Ich sah ihn, ich lief ihm entgegen, und er kam über mich. Er schrie, er biß, er gab mir das, was ich haben wollte, und er trank mein Blut. Riesig war sein Kopf, aber wunderschön für den, der ihn liebt.«
Ich runzelte die Stirn. »Kann es möglich sein, daß es sich bei dem Schatten um eine Fledermaus handelt?«
»Ja, das war er!«
»Eine Riesenfledermaus!«
»Richtig. Und er wird alle holen, die er noch bekommen kann. Das ist seine Aufgabe.« Der Totengräber senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Der Blutjäger ist wieder unterwegs.«
Ich hörte seine Erklärungen zwar, dachte aber an etwas anderes. Und zwar an den Bericht meines Freundes Mallmann. Da hatte doch dieser Leutnant etwas gesehen, für das er keine Erklärung besaß.
Das konnte ein Schatten gewesen sein.
»Wo hält er sich tagsüber versteckt?« fragte ich.
»In der alten Höhle.«
»Die kenne ich!« rief Eva. »Sie befindet sich nicht weit von uns entfernt.«
»Gut.« Ich wandte mich wieder an den Vampir. »Und wann kommt er hervor?«
»Nur wenn die Dunkelheit über das Land hereinbricht.«
So etwas hatte ich mir gedacht. Ich mußte also am Abend an der Höhle lauern. »Was ist mit den Grabsteinen und Kreuzen?« fragte ich weiter. »Wer hat sie…?«
»Das war er. Er haßte Kreuze. Der Friedhof soll ihm gehören. Er wird hier sein eigenes Gräberfeld anlegen und seine Opfer in die alten Grabstätten packen.«
»Bist du sein erstes?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wer ist noch ein Opfer des Blutjägers geworden? Und wen hast du gebissen?«
Der Totengräber verdrehte die Augen. »Finde es doch selbst heraus?« keuchte er. »Ja, du mußt hingehen und seine Opfer suchen. Vielleicht bin ich sein einziger Diener, vielleicht aber auch nicht. Dieser Friedhof wird…«
Ich schüttelte den Kopf. »Er wird nichts, Franz, gar nichts. Er bleibt so, wie er ist!«
»Kannst du es verhindern?«
»Ja!«
Plötzlich schaute er wieder auf mein Kreuz, und sein Gesicht wurde eine Maske der Angst.
Ich nahm es diesmal nicht zur Seite und drehte mich nur zu Eva Leitner um. »Bitte, verlassen Sie die Werkstatt! Ich muß etwas Bestimmtes tun, daran geht kein Weg vorbei!«
»Pfählen?«
»Nein, das nicht, aber… gehen Sie schon.«
Sie schaute noch einmal auf den Vampir, der anfing grell zu kreischen. Dann drehte mir Eva den Rücken zu und verschwand.
Ich aber ließ das Kreuz fallen.
Der Schrei endete, als hätte ich dem Vampir meine Hand auf den Mund gepreßt. Sein Körper bäumte sich auf. Gleichzeitig tanzten blaue Flammen auf und hüllten ihn ein. Aus dem Feuer ragte plötzlich eine gekrümmte Hand, die nach mir fassen wollte, um mich ebenfalls in den Sarg hineinzuziehen.
Ich drehte mich zur Seite und ging zurück.
Der Vampir verbrannte vor meinen Augen. Als die Flammen zusammensanken, war von dem untoten Totengräber etwas zurückgeblieben, das ich nicht näher
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