0491 - Der Blutjäger
Blut in die Tiefe getropft?
Ich trat bis an den Rand des Vorsprungs und leuchtete am Fels entlang in die Tiefe.
Diesmal verlor sich der Lichtschein meiner Lampe nicht mehr. Er traf ein Ziel. Ob es der Boden der Höhle war oder ein weiterer Vorsprung, konnte ich nicht erkennen, ich sah auch keine Blutflecken am Gestein, aber hier mußte sich jemand abgeseilt haben.
Was sollte ich tun? Mich ebenfalls abseilen und volles Risiko eingehen? Ich überlegte noch, als ich plötzlich die gellenden Schreie hörte. Es waren schrille, spitze Laute, die durch die gewaltige Höhle schallten und einem Angst einjagen konnten.
Ich preßte mich mit dem Rücken gegen die hinter mir aufragende Felswand, lauschte den widerlichen Schreien und strahlte ins Leere hinein.
Meine Bleistiftleuchte riß einen scharf geschnittenen Tunnel in die Finsternis, erreichte aber kein Ziel. Ich schwenkte die Lampe, als die Schreie wieder aufklangen und mir den kalten Schweiß auf die Stirn trieben. Das mußten die Signale einer Riesenfledermaus sein. Der Blutjäger war also in der Höhle unterwegs.
Plötzlich sah ich ihn!
Ich hatte Glück gehabt, denn er geriet mit seinem Schädel direkt in den hellen Tunnel.
Das war ein Schädel!
Riesengroß für eine Fledermaus, fast nur aus Maul und Zähnen bestehend. Klein waren die Augen.
Sie wirkten auf mich wie weiße Löcher. Fell umwuchs den Schädel. Die Haare zitterten beim Fliegen, als der Wind über sie hinwegstrich.
Wieder ließ ich die Lampe wandern. Mal nach rechts, dann in die andere Richtung.
Der Blutjäger hatte seine Schwingen ausgebreitet. Er bewegte sich nur leicht auf und ab. Wie auch der Kopf, so besaß er die entsprechenden Schwingen. Gewaltige Tücher, pechschwarz und leicht glänzend.
Klar, dieses Monstrum brauchte Blut!
Ich zog die Beretta, ohne die Lampe aus der Hand zu geben. Die Riesenfledermaus schien es geahnt oder gesehen zu haben, jedenfalls reagierte sie blitzschnell, kaum daß ich die Waffe in der Hand hielt. Ihre Schwingen bewegten sich schneller, sie kippte nach unten weg. Ich sah noch den Schatten, dann war sie verschwunden, und ich konnte mich nur an ihren Schreien orientieren.
Die klangen jetzt aus einer anderen Richtung und wurden immer leiser. Floh die Bestie? Wenn ja, weshalb? Ich überlegt. Denken konnte sie nicht, deshalb würde ich mich auch nicht in ihre Gedankenwelt hineinversetzen können. Sie wurde allein von der Gier getrieben. Die Gier nach menschlichem Blut.
Das hätte sie hier bei mir bekommen können, aber viel leichter draußen in der Nacht, wo ahnungslose Menschen nichts von der schrecklichen Gefahr wußten.
Noch ein letztes Kreischen hörte ich. Es kam mir vor, als wollte mich das Wesen auslachen.
Dann war es still.
Ich fluchte, als ich mich auf den Rückzug machte. So geleimt worden war ich selten. Wir hätten lieber mit zwei Wagen fahren sollen. So aber hatte der Blutjäger sämtliche Vorteile auf seiner Seite.
Wahrscheinlich konnte ich nur noch seine Opfer zählen…
***
Eva hatte bisher nur von der Bestie gehört, sie aber nie gesehen. Und jetzt schwebte sie vor ihr.
Welch ein Monstrum!
Ein Kopf zwischen zwei gewaltigen Schwingen. Böse Augen, darunter ein gewaltiges Maul, das bis zum Anschlag aufgerissen war und die spitzen Zähne sehen ließ.
Noch tat die Fledermaus nichts. Sie schwebte über Eva wie eine finstere Drohung aus der Urzeit.
Die Frau hatte sich vorgestellt, wie es sein würde, wenn die Bestie sie angriff. In der Theorie aber sah alles anders aus als in der Praxis. Jetzt war sie vor Angst fast starr und konnte sich kaum rühren.
Der Blutjäger bewegte seine Schwingen. Genau diese Bewegung löste die Starre bei der Frau. Für sie gab es nur die Chance, in den Wagen zu flüchten und davonzufahren, was immer der Motor auch hergab. Und wenn es quer durch das Gelände war.
Sie klappte förmlich zusammen, als sie sich rücklings in den Wagen hineinwarf. Eva fiel auf den Fahrersitz, sie riß die Tür zu, hörte den Knall und faßte nach dem Zündschlüssel.
»Spring an!« flüsterte sie. »Verdammt, spring nur an!«
Eva brauchte nicht mehr weiter zu sprechen. Schon bei der ersten Drehung hörte sie das beruhigende Brummen, warf den Gang ein, gab Gas, fuhr an und riß das Lenkrad herum, weil sie zunächst eine Kurve fahren mußte, um die entsprechende Richtung zu bekommen.
An den Blutjäger dachte sie in diesen Augenblicken nicht. Sie wollte nur weg.
Die Kurve hatte sie zur Hälfte genommen als er Kurs auf sie nahm. Er
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