0491 - Die Wolfshexe
los?« fragte er und setzte die Kaffeetasse ab, mit der er, in seinen Morgenmantel gewickelt, eingetreten war.
»Die Polizei ist da. Der Leichenwagen. Man brachte zwei Särge aus einem Haus. Da muß etwas Schlimmes passiert sein. Zwei Menschen sterben doch selten ohne einen besonderen Grund gleichzeitig.« Plötzlich keimte ein böser Verdacht in ihr auf, und sie sah ihren Vater durchdringend an. »Hast etwa du…?«
Er breitete die Arme aus. »Es kann sein, daß ich bald wieder den Wohnort wechseln muß«, sagte er.
»Also hast du sie ermordet?«
Mathieu Larchant setzte sich und schüttelte den Kopf. »Du hast es in all den Jahren immer noch nicht verstanden«, sagte er. »Ich morde nicht. Für mich ist es eine überlebenswichtige Notwendigkeit, und außerdem habe ich dafür zu sorgen, daß unser Volk nicht ausstirbt.«
»Aber das ist kein Grund zum Töten. Du solltest mich mitnehmen, wenn du deine nächtlichen Ausflüge unternimmst. Ich bin jetzt hier, und ich habe viel Zeit. Ich kann bleiben. Du weißt, welches Geschenk der meneur des loups mir gab !«
»Ich nehme dich nicht mit. Das wäre zu riskant, zu auffällig. Du bist nicht von meiner Art, bist anders geblieben. Menschlich, trotz allem.«
»Damit gibst du zu, daß dir das Morden Spaß macht, Vater.«
»Es macht mir keinen Spaß. Macht es dir Spaß, den Fisch zu töten, den du angelst, um ihn zu verspeisen?«
»Das ist etwas anderes.«
Mathieu Larchant erhob sich mit einem Ruck. »Ich zweifle, daß es dir ansteht, mit mir darüber diskutieren zu wollen, Tochter.« Er nahm die Kaffeetasse und ging zur Wohnzimmertür.
»Warum hast du beide getötet, Vater?« fragte Mireille leise. »Hätte es nicht gereicht, den Mann zu reißen? Du hättest ihn noch vor Betreten seines Hauses abfangen können. Warum hast du auch seine Frau getötet?«
Stocksteif blieb er stehen. »Woher weißt du das? Bist du mir nachgeschlichen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich sagte dir schon, daß ich von Blut geträumt habe in dieser Nacht«, erklärte sie. »Es war das Blut der beiden Menschen, die du ermordet hast. Sinnlos ermordet.«
Er wandte sich langsam um, und ebenso langsam und eindringlich sagte er: »Wir werden über dieses Thema nie mehr sprechen, Mireille.«
Das blonde Mädchen schwieg.
***
Mikel ar Brazh schüttelte den Kopf. »Wo ist er denn nun, Ihr toter Wolf? Er hat sich wohl erhoben und ist mit Monsieur Plouder an der Leine spazierengegangen, wie?«
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich mit ihren dünnen Bemerkungen«, gab Nicole, mittlerweile hochgeschlossen, zurück. »Allein an den Spuren müßten Sie sehen können, daß hier ein Kampf stattgefunden hat. Sehen Sie die dunklen Flecke? Das ist Blut.«
»Sicher hat hier ein Kampf stattgefunden. Aber mit einem Wolfsrudel? Ich habe da eine viel bessere Idee.«
»Und die wäre?« fragte Zamorra scharf. »Lassen Sie uns an Ihrer fulminanten Weisheit teilhaben, Mister Sherlock Holmes junior.«
»Wenn der Detektivsergeant sich schon dumm anstellt, brauchst du nicht auch noch spöttische Bemerkungen zu machen, Chef«, sagte Nicole leise.
Der massige Beamte nickte selbstgefällig. Er griff sich mit der Hand in seinen Nacken und massierte ihn leicht. »Sehen Sie, es könnte doch auch sein, daß Sie Monsieur Plouder ermordet haben, oder?«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Mann, denken Sie doch einmal logisch«, forderte er. »Welchen Grund sollten wir haben, alle möglichen und unmöglichen Leute umzubringen, die wir nicht einmal besonders gut kennen? Etwa, weil Plouder unsere Story sonst hätte widerlegen können?«
»So oder ähnlich«, bestätigte ar Brazh.
»Sie sind ja verrückt!« entfuhr es Zamorra. »Selbst auf die Gefahr hin, daß Sie mich wegen Beamtenbeleidigung verklagen, wiederhole ich es: Sie sind verrückt! Statt logisch zu denken, lassen Sie Ihre Fantasie spielen und machen aus Ihren Wahnvorstellungen vermeintliche Fakten! Ich werde mich darum bemühen, daß man Sie von diesem Fall entbindet. Vielleicht sind Sie ja nur überlastet.«
Ar Brazh starrte ihn entgeistert an. »Das sagen ausgerechnet Sie, der mir etwas von Wölfen vorspinnt, die es nicht gibt?«
»Und über die in der Zeitung berichtet wurde«, stellte Nicole fest.
»Ein Revolverblatt.«
»Aber auch Sensationsjournalisten saugen sich nicht solche Unglaubhaftigkeiten einfach aus den Fingern!«
Zamorra preßte die Lippen zusammen. Daß Plouder nicht in seinem Haus zu finden war und auch das Gewehr fehlte, hatte nicht viel zu
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