0492 - Der Zug aus der Hölle
höllischen Schienenstrang bis direkt vor die Burg verlegt und den Zug als magisch aufgeladene, riesige Bombe quer durchs Tor rasen und innerhalb von Llewellyn-Castle explodieren läßt? Ich bin nicht sicher, ob die weißmagische Abschirmung die Aufprallwucht aushält, wenn der Zug genug Anlauf erhält.«
Sid Amos schüttelte den Kopf. »Gut und heimtückisch gedacht - man sollte euch Frauen wirklich nicht unterschätzen«, zischelte er. Nicole sah ihn wütend an. »Was soll das heißen, Sid? Ich habe nur versucht, mich in dämonisches Denken hineinzuversetzen! Unterlasse also gefälligst diese frauenfeindlichen Verallgemeinerungen!«
Amos lächelte dünnlippig. »Du deutest das falsch«, sagte er. »Aber ich will jetzt nicht mit dir darüber diskutieren. Nein, wenn es in der Praxis so einfach wäre, dann hätten wir so etwas längst getan. Ein gewisses Château Montagne würde sich beispielsweise hervorragend für einen solchen Zerstörungsangriff eignen. Aber ich habe seinerzeit immer darauf verzichtet, und auch die anderen Erzdämonen wissen nur zu gut, daß es nicht klappt.«
»Also vermutlich doch eine Entführung«, überlegte Zamorra. Immer wieder sah er zur Theke, hinter der sich Mostache nach wie vor verschanzt hielt. Wann endlich klingelte das Telefon?
»Ich verstehe nicht, warum die Hölle plötzlich soviel daran setzt, die Erbfolge zu unterbrechen«, wandte Nicole ein. »Sie haben Jahrhunderte dafür Zeit gehabt. Warum ausgerechnet jetzt?«
»Vielleicht weil es jetzt am leichtesten ist. Ich könnte mir vorstellen, daß der Lord, beziehungsweise sein vergehender und sein kommender Körper, gerade in dieser Zeit am verwundbarsten ist. Hinzu kommt der psychologische Effekt. Vergeßt nicht, daß es der Hölle nicht allein ums Töten geht. Das könnten wir viel einfacher haben; wir hätten die Menschheit dann sicher längst schon vollkommen ausgelöscht. Nein, es ist die Macht, die wir haben. Macht über die Begierden und Ängste der Sterblichen. Wir schlagen sie in unseren Bann, wir verführen sie, und dann fangen wir ihre Seelen.«
Nicole sah ihn an. »Du redest, als gehörtest du selbst noch dazu, Sid.«
Er zuckte mit den Schultern und nahm wieder einen kräftigen Schluck aus dem neu gefüllten Cognacglas. »Alte Redegewohnheiten«, brummte er. »Die legt man nicht so schnell ab. Immerhin war ich ja ein paar jahrtausendelang Boß dieser Firma, da schleift sich eine Menge so tief ein, daß man’s nicht mehr loswird.«
»Vielleicht haben Gryf und die anderen doch recht?« fragte Nicole provozierend.
Sid Amos wies zur Theke. »Das Telefon klingelt«, stellte er fest.
Im nächsten Moment schlug es tatsächlich an. Zamorra und Nicole wechselten einen raschen Blick, ehe Zamorra sich wieder erhob und zur Theke eilte. Wieder einmal war Amos einer Stellungnahme ausgewichen! War es Zufall, daß das Telefon genau zur »richtigen« Zeit schrillte?
Zamorra hob ab. Raffael meldete sich. »Es tut mir außerordentlich leid, Monsieur. Aber ich kann weder Sir Bryont noch Lady Patricia oder jemanden vom Personal erreichen.«
Zamorra preßte die Lippen zusammen. »Es meldet sich also niemand im Castle?«
»Das versuchte ich soeben auszudrücken, Monsieur«, vernahm er Raffaels Erwiderung.
»Na schön«, murmelte Zamorra. »Wir sind gleich oben im Château. Mal sehen, was wir tun können.« Erneut legte er auf.
»Er ist also schon in der Falle«, sagte Sid Amos. »Das ist bedauerlich. Nun wird es natürlich wesentlich schwieriger, etwas zu seiner Unterstützung zu tun.« Es klang, als fände der Ex-Teufel das gar nicht so bedauerlich, wie er sagte.
»Wir müssen nach Schottland, so schnell wie möglich«, stellte Zamorra fest. »Ärgerlicherweise wird erst morgen früh wieder ein Flug gehen, selbst wenn wir mit Vollgas nach Paris durchrauschen sollten. Wir werden Stunden unterwegs sein, einen halben Tag und länger, und danach müssen wir uns noch bis zum Llewellyn-Castle durchkämpfen, bei diesem verdammten Winterwetter! Hier unten an der Loire geht’s ja noch, da haben wir nur Nebel und Regen. Aber in den Highlands dürften klirrende Kälte und Schnee angesagt sein.«
Sid Amos winkte ab. »Ich habe deine verzweifelte Bitte schon verstanden«, sagte er theatralisch, »und ich bin durchaus gewillt, dir ein weiteres Mal meine großzügige Hilfe zu gewähren, auch wenn man mich dafür verschwenderisch nennen wird. Ich werde euch hinbringen. Ihr wißt ja, daß ich meine eigene Art der Fortbewegung
Weitere Kostenlose Bücher