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0492 - Der Zug aus der Hölle

0492 - Der Zug aus der Hölle

Titel: 0492 - Der Zug aus der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Schulterzuckend ging Saris weiter. Er sah nicht, daß der vermeintlich Schlafende sich erhob, zur Abteiltür trat und sie geräuschlos soweit aufzog, daß er sich halb nach draußen beugen und dem Lord hinterher sehen konnte. Saris erreichte »sein« Abteil im ersten Wagen wieder. Sein Koffer war umgekippt. Erstaunt registrierte Bryont Kratzspuren an der Hartschale, die von winzigen Krallen zu stammen schienen.
    »Nanu?« staunte er und ging neben dem Koffer in die Hocke, um ihn und die Kratzspuren näher zu betrachten. In diesem Moment erlosch das Licht.
    ***
    »Das kann doch einfach nicht sein«, flüsterte Lady Patricia und ließ sich auf eine der hölzernen Wartebänke sinken. Fassungslos starrte sie den Zug an, der gerade eingefahren war und der dem anderen bis auf die Anzahl der Waggons glich; hier waren es zwei weniger. Aber in den beleuchteten Abteilen befanden sich erheblich mehr Menschen. Einige stiegen aus und strebten rasch davon.
    William räusperte sich. »Wenn Sie bitte einen Moment warten wollen, Mylady«, sagte er. Dann hielt er, so schnell es seine Würde als Butler ihm erlaubte, zur Aufsicht hinüber. Er hielt sich nicht lange mit Anklopfen auf, sondern betrat die kleine Glaskanzel durch den seitlichen Eingang. Ein verwirrter Beamter sah ihm entgegen, machte aber keine Anstalten, ihn seines unbefugten Eintretens wegen sofort wieder hinauszukomplimentieren.
    »Sie werden mir sicher die Frage gestatten, Sir, weshalb zu diesem Termin gleich zwei Züge unmittelbar hintereinander eingesetzt werden«, sagte William.
    »Das verstehe ich auch nicht«, rätselte der Beamte. »Mir ist nichts davon bekannt, und es wäre auch völlig sinnlos, um diese Zeit einen Sonder- oder Verstärkungszug einzusetzen. Abgesehen davon, daß es einfacher wäre, die zusätzlichen Wagen hinter die normale Lokomotive zu hängen, statt einen kompletten Zug einzusetzen, kann ich mir auch nicht vorstellen, woher dieser Sonderzug kommen sollte. Lok und Waggons müßten zunächst bis nach Thurso hinauf gebracht worden sein, und davon wüßte ich mit hundertprozentiger Sicherheit.«
    »Folglich komme ich zu dem Schluß, daß hier etwas nicht stimmt«, bemerkte William. »Mit Verlaub empfehle ich Ihnen, diesen Zug vorerst festzuhalten und den anderen, der eben abfuhr, spätestens bei der nächsten Station zu stoppen; wenn möglich, bereits per Signal unterwegs auf der Strecke.«
    »Das - das kann ich nicht, Mister«, sagte der Aufsichtsbeamte, während William nach draußen spähte und sich vergewisserte, daß Lady Patricia noch auf der Bank saß und es ihr leidlich gut ging.
    Ein anderer Beamter trat ein. »Was ist das für ein Zug? Warum weiß ich nichts davon, daß zwei Parallelzüge eingesetzt wurden? - Wer sind Sie?«
    William stellte sich vor.
    »Butler auf Llewellyn-Castle«, wiederholte der Beamte. »Llewellyn, ist das nicht der Laird, dem man nachsagt, er sei schon ein paar hundert Jahre alt?«
    William nickte. »Und mit wem habe ich in Ihrer geschätzten Person die Ehre, wenn es zu fragen erlaubt ist?«
    »Mulroney. Ich bin der Stationsvorsteher. Wie kommt dieser zweite Zug hierher?«
    »Die Frage könnte eher lauten: Wie kam der erste Zug hierher?« erwiderte William. »Vielleicht handelt es sich dabei um ein irreguläres Phänomen.«
    »Ein Phantom? Ein Geisterzug?« brummte Mulroney.
    »Aber es sind doch Menschen eingestiegen und mit ihm gefahren«, sagte der Aufsichtsbeamte.
    »Und aus diesem hier sind Menschen ausgestiegen. Das könnten doch nicht einfach nur Phantombilder sein. Ich rufe mal in Moy und in Tomatin an. Weiter kann er eigentlich noch nicht gekommen sein. Und in Thurso sollen sie mir erzählen, was zum Henker das hier soll!«
    Er wechselte ins Hauptgebäude und in sein Büro. William folgte ihm einfach, und Mulroney sagte nichts dazu. Wenig später stand fest, daß der Zug, dessen Verspätung mittlerweile immer größer wurde, endlich eintraf.
    Und in Thuros wußte man nichts von einem Sonderzug. »Bei den paar Fahrgästen hier auf diesem Streckenabschnitt wäre es völliger Humbug, auch noch einen Sonderzug einzusetzen«, wurde Mulroney angebellt. »Es wäre sogar witzlos, mehr als einen Waggon an die Lokomotive zu hängen, wenn nicht bei Ihnen in Inverness und weiter unten in Perth hin und wieder mit verstärktem Fahrgastaufkommen zu rechnen wäre!«
    »Das ist kein Grund, in diesem Ton mit mir zu reden!« gab Mulroney verärgert zurück.
    »Wie -würden Sie denn mit jemandem reden, der offenkundigen

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