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0492 - Der Zug aus der Hölle

0492 - Der Zug aus der Hölle

Titel: 0492 - Der Zug aus der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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begreiflich zu machen, welcher Macht er gegenüberstand.
    Sekundenlang fühlte Lucifuge Rofocale eine seltsame Schwäche. Aber die ging sehr schnell wieder vorüber. Es hing mit dem Amulett zusammen. Er hatte seine eigene Kraft wohl etwas überschätzt. Genauer gesagt hatte er das Kraftpotential des Amuletts wohl überschätzt. Jemand hatte ihm einmal berichtet, daß selbst Zamorras Amulett, das siebte und stärkste von allen, seinem Benutzer Kraft entzog, wenn die eigenen Energien erschöpft waren und sich erst wieder neu aufbauen mußten. Um wieviel mehr mußte das also auch bei den schwächeren Amuletten der Fall sein? Lucifuge Rofocale bedauerte nur, daß er am »Schwächegrad« nicht ablesen konnte, welches der Amulette er besaß. Er wußte nur, daß er es überfordert hatte. Ein derartig großes Weltentor zu schaffen, überstieg nicht nur seine eigenen Kräfte, sondern auch die des Amuletts. Er wußte jetzt, daß er die Durchdringung der beiden Welten keine Minute länger hätte aufrechthalten können. Er war an die Grenzen seiner Macht gestoßen.
    Immerhin: es war ihm gelungen! Und das war ein innerer Triumph, den ihm niemand streitig machen konnte, ganz gleich, was anschließend geschehen würde.
    Er war dem Zug jetzt ganz nah, und er konnte sein Opfer sehen.
    ***
    Der Stationsvorsteher war froh, endlich Feierabend machen zu können. Seine Dienstzeit war um. Jetzt nichts wie heim! Die traditionelle Pokerrunde wartete auf ihn. Einmal in der Woche trafen sie sich, und dann wurde gespielt. Nicht mit Geld im eigentlichen Sinne. Gespielt wurde nur um Chips, von denen jeder zu Anfang gleich viele bekam. Wer am Schluß die meisten besaß, war der Tagessieger und nahm die Flasche schwarzgebrannten Whisky mit nach Hause. Rund um Inverness gab es mehr als fünfzig illegale Destillen. So war eine »gerechte Auswahl« möglich - für jede Woche legte die Spieler-Runde zusammen und kaufte einem der Schwarzbrenner eine Siegerflasche ab. Und darauf freute sich der Chef des Bahnhofs schon wieder. Selbst wenn er nicht gewann - Poker war eben ein Glücksspiel, dessen Ausgang höchstens durch gezinkte Karten zu bestimmen war -, machte es doch einfach Spaß, zu spielen. Und noch mehr Spaß machte es, den Steuerbehörden ein Schnippchen zu schlagen. Natürlich war das Schwarzbrennen illegal, nur hatte es gerade in Schottland eine jahrhundertealte Tradition, und die Behörden hatten es längst aufgegeben, immer wieder aufs Neue Nachforschungen anzustellen. Wenn sie eine Schwarzbrennerei aushoben, wurde unmittelbar darauf im Nachbarhaus die nächste »eröffnet«. Dagegen kam einfach keiner an.
    Uisge beatha, das Lebenswasser, nannten sie das goldgelbe Getränk, das in Schottland so zum Alltag gehörte wie in Rußland der Wodka.
    Der Vorsteher schloß sein Büro ab und verließ das Gebäude. Es gab heute nichts mehr zu tun; es fuhr kein Zug mehr. Erst in den frühen Morgenstunden ging es wieder los, aber dann hatten andere Dienst. Jetzt wartete die Pokerrunde. Er schritt in Richtung Mitarbeiterparkplatz. Es gab dort einen torbogenähnlichen Durchgang, den er täglich benutzte, um zu seinem Austin Metro zu kommen, den er sich von seinem kärglichen Beamtengehalt gerade mal leisten konnte.
    Er lief direkt in das Netz.
    Von einem Moment zum anderen hing er fest. Er versuchte, sich zu befreien, die klebrigen Fäden loszuwerden, die er nicht gesehen hatte. Aber bei seinen Versuchen kam er mit weiteren Fäden dieses Netzes in Berührung. Seine Kleidung zerriß, und um ein Haar wäre er freigekommen, aber dann berühren Klebepunkte seine Haut - und der Versuch, sich davon zu lösen, war so schmerzhaft, daß er erst einmal nachzudenken begann, wie er auf einfachere, schmerzlosere Art loskommen konnte. Die Fäden durchschneiden? Um an das Taschenmesser zu gelangen, mußte er weitere Bewegungen durchführen, die ihn noch stärker fesselte, wie er entsetzt feststellte.
    Überhaupt - was hier geschah, war mindestens ebenso unbegreiflich wie dieser Zug vor ein paar Stunden, der eine Halluzination gewesen sein mußte. Für so etwas gab es keine vernünftige Erklärung, also gab es diese Dinge auch nicht.
    Allerdings das verdammte Netz gab es.
    Er rang sich dazu durch, um Hilfe zu rufen. Schließlich mußten noch drei Kollegen anwesend sein, die die Nachtschicht machte. Die sollten ihn aus dem Netz befreien.
    Doch er rief nicht.
    Ihm stockte der Atem, als er die Spinne sah. Stumm vor Entsetzen beobachtete er das katzengroße Ungeheuer, das über

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