0492 - Die Wölfin von Rom
Dingen Sheila, die sich in der Modeszene umschauen wollte, denn die Beschäftigung mit der Mode gehörte zu ihren Hobbys. Vor Jahren hatte sie selbst einmal versucht, in die Branche einzusteigen, es aber schließlich gelassen, weil dämonische Aktivitäten ihr Engagement auf lebensgefährliche Art und Weise störten.
Dennoch hatte die Faszination der Mode sie nicht aus den Klauen gelassen, und in Rom gab es, ebenso wie in Mailand, Geschäfte, deren Namen man sich auf der Zunge zergehen lassen mußte.
Valentino, Fendi, Gucci… um nur einige zu nennen. Hinzu kamen noch die weltberühmten Arbeiten des ersten Juweliers in der Ewigen Stadt, Bulgari. Sheila wollte in seinem Geschäft zum Schluß ihres Rom-Besuches vorbeischauen.
Es lag wie die meisten Edel-Boutiquen in der Via Condotti, Roms exklusivster Einkaufsmeile. Hier konnte Sheila Tage verbringen, ohne daß es ihr langweilig wurde. Im Gegensatz zu ihrem Mann Bill und dem kleinen Johnny, der, wie auch sein Vater, oft genug die Augen verdrehte, wenn die Mutter wieder einmal begeistert war und sich die Dinge aus der Nähe ansehen wollte.
Irgendwann waren es die beiden Männer leid. Sie streikten einfach und gingen nicht mehr mit.
»Nein, ohne uns«, sagte Bill an diesem frühen Abend wieder einmal, blieb mitten im Gewühl stehen und schüttelte den Kopf.
Sein Sohn machte es ihm nach.
Sheila war überrascht. »Habt ihr denn keine Kondition mehr?«
»Das schon, aber nicht für deine komischen Spaziergänge.«
Sheila nagte auf den Lippen. Sie trug ein weißes Kostüm und darunter eine pflaumenfarbene Leinenbluse. Das Haar hatte sie eng an den Kopf gekämmt. Im Nacken bildete es einen Knoten. »Und was wollt ihr tun? Zurück ins Hotel gehen?«
»Auch nicht.«
»Sondern?«
»Wir warten«, erklärte Bill, was Johnny mit einem kräftigen Nicken unterstützte.
»Wo denn?«
»Eis!« rief Conolly junior. »Dad hat gesagt, daß Rom für seine Eisläden berühmt sein soll.«
Sheila lächelte. »Das stimmt. Ich frage mich nur, ob du nicht inzwischen einen Eisbauch hast. Wieviel Eis hast du in den letzten Tagen schon gegessen?«
Johnny grinste verschmitzt. »Das habe ich nicht gezählt, Mum. Aber ich kann auch einen Milk Shake trinken.«
»Da hat er recht«, sagte Bill.
»Okay.« Sheila winkte ab. »Ich sehe schon, daß ich auf verlorenem Posten stehe. Alles klar. Geht in die Eisbude, ich sehe mich noch ein wenig um.«
Bill sah auf die Uhr. »Wann treffen wir uns?«
»In zwei Stunden…?«
»So lange?« fragte Johnny stöhnend.
Sein Vater wollte nicht noch länger diskutieren und stimmte rasch zu. Sheila hauchte beiden einen Kuß auf die Wange, drehte sich um und war sehr schnell im Gewühl der Via Condotti verschwunden.
»Willst du wirklich noch ein Eis?« fragte Bill.
»Nein, nur etwas trinken.«
»Abgemacht, ich auch.«
Für die Schaufenster der Geschäfte hatten Vater und Sohn keinen Blick. Sie ließen sich vom Strom der Passanten treiben. Die Menschen hier waren eine Mischung aus neureichen Touristen, finanziell gut gestellten Römern, schicken Frauen, schmalhüftigen, schwarzgelockten Gigolos, die sehr modisch gekleidet waren, und Bill fiel auf, daß viele Menschen mit angespannt wirkenden Gesichtern über die Straße flanierten, als hätten sie irgendwelche Sorgen.
Hier herrschte zwar Leben. Nur war es ein anderes als in den urrömischen Vierteln, wo man am besten aß, wenn die »Mamma« selbst kochte und der Gast inmitten von Gerüchen und Düften unter schattigen Bäumen auf harten Holzstühlen oder Bänken saß und sich den Genüssen des Lebens hingab. Da kam dann echtes italienisches Lebensgefühl auf.
Der Eissalon fiel wegen seiner poppigen Reklame auf. Obwohl es noch hell war, leuchtete das bonbonfarbene Licht und übergoß die Gesichter der Menschen mit seinem bunten Schein. Über dem Eingang war ein großes Gesicht zu sehen. Es ähnelte dem eines Clowns, der die Zunge herausgestreckt hatte und an einem Eis lutschte. Die Augen des Clowns waren weit geöffnet. Sie sollten den Genuß dokumentieren.
Es gab unzählige Eisdielen in Rom, und keine davon stand leer.
Sie waren alle voll, Eis wurde tonnenweise gegessen, und das Herstellen war eine Kunst für sich.
Bill und sein Sohn fanden trotzdem noch einen freien Tisch.
Ziemlich in der Ecke, wo sich der Trubel in Grenzen hielt. Die Stühle waren schmal, unbequem, wahrscheinlich sollte kein Gast auf die Idee kommen, länger zu verweilen.
Bill streckte die Beine aus und schloß für einen
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