0493 - Panik auf Titan
fest. „Welch trauriges Schicksal!"
Er nickte.
Dann stand er auf und kontrollierte sorgfältig die Anlagen seines Anzugs. Die terranischen Techniker schienen diese Modelle für weitaus höhere Ansprüche und Belastungen konstruiert zu haben, denn alles funktionierte. Langsam ging Edmond zurück in den Schatten und beobachtete den einsamen Mann dort draußen in der gleißenden Sonnenhitze, der auf Gestein stand, das mindestens hundertfünfzig Grad Celsius heiß war. Zwei Männer, hervorragend ausgerüstet, ohne Gleiter - zu Fuß.
Die einzige Rettung war das Schiff.
Jetzt würde es nicht mehr - oder nur als sekundäres Problem - um das Übernehmen gehen, sondern um die nackte Existenz.
Edmond Pontonac begann zu rechnen.
Er vergegenwärtigte sich seinen Kurs, sah auf die Uhr, betrachtete die Schatten und wußte, daß er fast einhundert Kilometer bis zum Schiff hatte. Luftlinie, also von hier aus direkt nach Norden. Er konnte sich an den Schatten orientieren.
Dann, nach achtzig Kilometern, kamen die Berge, die Ebene dort stand das Schiff. Er mußte kurz vor seinem Ziel nach links abbiegen.
Ebensoweit ... nein, vierhundert Meter weiter, hatte es Vascalo.
Wer war jetzt der Verfolger?
Wer der Verfolgte?
Edmond lachte auf, schaltete das energieverbrauchende Schutzfeld aus und wandte sich nach Norden. Einhundert Kilometer waren mindestens zwanzig Stunden Marsch.
Vermutlich würden es noch mehr werden. Einhundert Kilometer durch Schatten und grelles Sonnenlicht, durch die staubige Ebene, durch Krater und Berge, entlang von Flußbetten, die das letzte Wasser vor Äonen gesehen hatten. Zum Schiff. Und unterwegs ständig die Angst davor, erschossen zu werden. Es sah aus, als sei er jetzt der Verfolgte. Ein reichlich unangenehmer Gedanke, sagte er sich und begann mit seinem Marsch.
Noch war er im Schatten.
„Ich muß mit meinen Kräften sparsam umgehen", sagte er sich halblaut. „Außerdem darf ich auf keinen Fall zuviel Energie verbrauchen. Und schließlich muß ich auch an die Hochleistungsbatterie meiner künstlichen Gliedmaßen denken."
Er ging in einem Tempo, das etwa dem eines rüstigen Fußgängers entsprach. Das bedeutete etwa fünf bis sechs Kilometer in der Stunde, bei schwierigem Gelände würde dieser Wert drastisch kleiner werden.
In der rechten Hand die entsicherte Waffe, den halbdurchsichtigen Plastikstreifen hoch in die Stirn geschoben, marschierte Edmond Pontonac, der Oberst, Leiter des Saturnmondes Titan, auf seinen zwei künstlichen Beinen nach Norden. Wenn er aus dem Schatten hervor kam, würde sein eigener Körperschatten zuerst nach Westen deuten, dann kleiner werdend, nach Norden, schließlich wieder länger und nach Osten zeigen.
Vascalo, der ihm in dreihundertfünfzig Metern Abstand folgte, wußte nicht, daß er nur eine winzige Chance hatte, Edmond einzuholen. Stählerne Gelenke und elektromagnetische Muskeln, die nicht einmal die Herztätigkeit beschleunigten, konnten auch die besten Cappinsportler nicht besiegen.
Unsichtbar marschierte der Verfolgte im Schlagschatten der Berge.
Der Verfolger, hinter ihm, noch im Bereich der Sonne, gab ein hervorragendes Ziel ab. Aber Edmond sagte sich, daß für einen Schußwechsel noch immer Gelegenheit sein würde. Er versuchte, die Fähigkeiten des Cappins abzuschätzen, aber eines würde er niemals erfahren: Wenn Vascalo durch seine Fähigkeiten, von einer Mutation hervorgerufen, seinen Körper verlassen mußte, weil er übernommen werden sollte, durfte er unter keinen Umständen den Körper des Angreifers verlassen.
Verließ er ihn, vielleicht unter dem Druck der Lebensgefahr, dann verlor er die Kontrolle über jenen Körper, den er mit seinen restlichen dreißig Prozent Kraft steuern konnte. Hätte Edmond das gewußt, wäre er etwas klüger, aber nicht beruhigt gewesen. Es bot sich für den Takerer-Mutanten aber eine Alternativlösung an, die ähnlich kompliziert und sinnlos war.
Wurde der Körper seines Angreifers, in diesem Fall der Körper Ovarons plus dreißig Prozent Verstand von Vascalo, bedroht, konnte Vascalo entweder in seinen eigenen Körper zurückkehren oder einen dritten Körper übernehmen. Wenn er einen dritten Körper aufsuchen mußte (innerhalb der Zeitspanne von rund hundert Stunden, in der er sich auf die Psyche des Übernommenen restlos einstellen und dessen Verstand ausbeuten konnte), kam er in tödliche Gefahr.
Er verlor die dreißig Prozent Kontrolle über seinen echten Körper, also über das, was als Gefängnis von
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