0495 - Die Schlucht der Echsen
ragazza?« fragte er. »Wollen Sie nicht doch lieber morgen frei nehmen?«
Sie dachte ja gar nicht daran. »Haben Sie immer noch nicht begriffen, daß ich nicht krank bin? Was muß ich noch tun, damit diese übertriebene Fürsorge endlich aufhört?«
»Na schön. Dann also bis morgen. Aber Sie müssen wirklich nicht zum Dienst kommen, wenn Sie sich nicht hundertprozentig wohl fühlen.«
»Mamma mia!« entfuhr es ihr, und temperamentvoll schlug sie die Autotür hinter sich zu, um zum Mietshaus hinüber zu gehen, das sich auf der anderen Straßenseite befand. Zwischen den geparkten Autos, die zum Teil kinderwagenfeindlich auf dem Gehsteig standen, drehte sie sich noch einmal um. Re wartete mit dem Wagen noch, hatte die Fensterscheibe halb heruntergekurbelt. Gabriella seufzte. Sie fröstelte ein wenig unter seinem prüfenden Blick, den er ihr hinterher schickte. Für Sekunden wurde sie wirklich unsicher, aber dann merkte sie, daß dieses Frösteln nicht mehr von innen kam - schon lange nicht mehr -, sondern von außen an sie herangetragen wurde, von der kalten Abendluft. Die Nähe des Kältepols machte sich bemerkbar; der eisige Frosthauch der Sperrzone kroch auch durch die Straßen der Millionenstadt, die vor zwei Jahrtausenden einmal das Zentrum der Welt gewesen war.
Es war kälter als normal. Und es pfiff ein verteufelt kühler, scharfer Wind, der sich vermutlich über kurz oder lang zu einem Sturm ausweiten würde.
Sie fischte die Haustürschlüssel aus ihrer Tasche. Einen ganzen Tag hatte sie verloren? Einen ganzen Tag lang hatte sie im Krankenhaus zugebracht? Und niemand hatte Felicitas versorgt! Die samtpfotige Lady würde ganz schön sauer sein - und natürlich auch ausgehungert. Hoffentlich hatte sie nicht vor lauter Frust die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt, die Polstermöbel zerkratzt und die Blumen angefressen!
Gerade wollte Gabriella die Haustür aufschließen, als sie gut hundert Meter weiter etwas registrierte, das ihre Aufmerksamkeit erregte. Da bewegte sich etwas…
etwas, das kein Mensch war…?
Sie wirbelte herum. Wenn Felicitas so lange gewartet hatte, würde es jetzt auf ein paar Minuten auch nicht mehr ankommen. »Raffael!« zischte Gabriella über die Straße. »Da!«
Er sah es im gleichen Augenblick.
Er sah Gabriella loslaufen und die Dienstwaffe aus dem weißen Lederholster ziehen. Raffael Re schaltete das Blaulicht ein, startete den Motor und gab Gas. Der dunkelblaue Lancia mit der weißen Aufschrift CARABINIERI schoß vorwärts.
Etwas richtete sich zwischen den geparkten Autos auf und hob die Hand.
Der Lancia verformte sich, als sei er gegen eine unsichtbare Mauer geprallt. Gabriella hörte es krachen und dröhnen. Dann wurde sie selbst von einem gewaltigen Wirbel erfaßt, der alles um sich herum auslöschte…
***
Der schwarze Rolls-Royce Ted Ewigks stoppte in der Auffahrt des Hotels, in dem der Faschingsball stattfinden sollte. Seine Insassen stiegen aus; Nicole und Carlotta jonglierten sehr auffällig mit Äpfeln, und Carlotta bemühte sich dabei, besonders schlangenartige Bewegungen zu machen. Die livrierten Boys am Eingang grinsten; sie begriffen den Sinn dieser Kostümierung sofort.
Den beiden Herren in den silbernen Overalls schenkten ein paar andere Männer besondere Aufmerksamkeit. Kurz kam technisches Gerät zum Einsatz. »In Ordnung, Sie können weiter«, wurde ihnen beschieden. Nach ihren schriftlichen Einladungen wurde nicht einmal gefragt.
»Was sollte das denn jetzt?« fragte Zamorra, während er beobachtete, wie ein Hotelboy draußen in den Rolls-Royce kletterte, um ihn in die Hotelgarage zu fahren, bis die Gäste wieder aufzubrechen geruhten.
»Sicherheitskontrolle«, sagte Ted trocken. »Gerade sind wir nach Waffen untersucht worden. Wie am Flughafen. Vergiß nicht, daß der Innenminister und ein paar andere hochrangige Politfreaks sich die möglicherweise zweifelhafte Ehre geben. Man hat nicht ganz zu Unrecht Angst vor der Mafia. Zumindest, solange man sich nicht längst heimlich mit ihr verbündet hat. Aber selbst dann muß man den Schein wahren.«
»Und warum hat man uns nicht kontrolliert?« entrüstete sich Nicole. »Ich verlange gleiches Recht auf Unrecht, oder wie hieß das noch gleich?«
Ted grinste. »Ich schätze, wenn Ihr darauf besteht, werden euch die Jungs vom Geheimdienst bestimmt gern den Gefallen tun, euch sogar ganz besonders intensiv zu untersuchen. Aber daß ein splitternackter Mensch eine Waffe bei sich verstecken kann, das dürfte
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