0495 - Die Schlucht der Echsen
Verkehr wird umgeleitet, man läßt niemanden ran. Und der Kältehauch, der vielleicht herüberweht… Mann, wir haben Anfang Februar. Da kommt es auch hier im sonnigen Italien schon mal vor, daß es kalt ist und vielleicht sogar schneit. In den letzten Jahren hat das Wetter ja ohnehin weltweit Kopf Sprünge gemacht.«
»Staatsgeheimnis«, sagte Zamorra nachdenklich. »Und ausgerechnet du, Ted, bist darüber informiert?«
Der Reporter grinste.
»Weißt du, mein Freund, wie ich mehrfacher Millionär geworden bin? Denk mal drüber nach…«
***
Francesco Bravias Anwesen als Bauernhof zu bezeichnen, war schon leicht übertrieben. Mit ein paar Stück Vieh und einem Dutzend Hühnern schlug er sich mehr schlecht als recht durch, schimpfte wie jeder brave europäische Landwirt auf die EG, weil die auch ihm in den letzten Jahren einen Verlust von gut 30 % seines ohnehin schon niedrigen Einkommens beschert hatte, und wollte gerade noch einmal vor die Tür gehen, um sein Pfeifchen zu rauchen, weil Rebecca Tabakqualm in der guten Stube nicht duldete, auch wenn’s draußen kalt war. Mit Schnee war hier zwar nicht zu rechnen, aber ungemütlich und regnerisch war es trotzdem. Der Winter war noch lange nicht vorbei.
Francesco hatte seinen Nasenwärmer gerade in Brand gesetzt und sog genußvoll am Mundstück der Pfeife, als es krachte.
Er fuhr herum und glaubte, es sei etwas vom Himmel gefallen, das wie eine Bombe eingeschlagen war. Ein Flugzeug hatte er zwar nicht gehört, aber die meisten flogen ja auch in sehr großen Höhen, und warum sollten sie nicht auch da oben mal ein Triebwerk oder einen Zusatztank oder weiß der Teufel was verlieren! Francesco hatte die Flugzeuge nie gemocht. Wenn der liebe Gott gewollt hätte, daß Menschen fliegen, hätte er ihnen Flügel wachsen lassen, war Francescos Standpunkt.
Aber dann krachte es noch einmal, direkt vor seinen Augen, und es stürzte nichts vom Himmel herab, sondern etwas wuchs aus dem Boden. Sein Stall mit dem Vieh war plötzlich zur Hälfte weg, statt dessen stand da ein riesiger Erdbrocken mit Bäumen, die aussahen, als hätte man sie frisch aus dem tropischen Regenwald umgepflanzt. Etwas knirschte und brach krachend, polternd und fauchend aus dem Unterholz hervor. Francesco glaubte, am hellen Tag zu träumen -wie sonst sollte er sich den kleinen Saurier erklären, der mit allen Anzeichen tierischer Verwirrung auf ihn zu getappt kam, nicht einmal stutzte, als er Francesco sah, und nach einem wilden Sprung an ihm vorbeigaloppierte, um in der Ferne zu verschwinden!
Aus dem Haus stürzte Rebecca hervor, schrie auf, als sie den riesigen Erdklotz mit dem Stück Wald darauf sah, und verschwand sofort wieder im Haus.
Die Luft roch jetzt auch anders als vorher. Sie war irgendwie feuchter geworden. Aus dem Unterholz erklangen seltsame, krächzende Laute, wie Francesco sie nie zuvor gehört hatte.
Er begriff zwar nicht, was das für eine Naturkatastrophe war, die da aus heiterem Himmel über seine kleine Heimstatt hereingebrochen war, aber er ahnte, daß hier nichts mehr jemals wieder so sein würde, wie es einmal gewesen war…
***
Zamorra und Ted Ewigk benutzten noch einmal den kurzen Weg via Regenbogenblumen zum Château Montagne. Das war unkomplizierter, als Zamorras Archiv über das Telefon abzufragen. Zamorra suchte in seiner EDV-Anlage nach vergleichbaren Erscheinungen. Hatte es ähnliche Materialisationen schon einmal gegeben? Ihm wollte nicht in den Kopf, daß Fels- und Wasserbrocken einfach so aus dem Nichts kommen konnten, um dann auch noch bis auf den Absoluten Nullpunkt hinunter schockgefrostet zu werden. Vielleicht ließ sich aus ähnlichen Ereignissen eine Erklärung konstruieren.
Pascal Lafitte, Zamorras Mitarbeiter, verbrachte einen Teil seiner Zeit damit, die von Zamorra abonnierten internationalen Zeitungen zu sichten und herauszusortieren, was für Zamorra von Belang sein konnte. Manchmal brachte er die Zeitungsausschnitte dann persönlich zum Château, in anderen Fällen fütterte er Zamorras Rechneranlage mittels Datenfernübertragung. So konnte es sein, daß Informationen abgespeichert waren, von denen weder Zamorra noch Nicole wußten, daß es sie gab. Erst auf Stichwortabruf kamen sie dann zum Vorschein.
Auch das gigantische Schriften- und Bücherarchiv war inzwischen fast gänzlich auf EDV umgestellt. Früher war es eine mühselige, zeitraubende und höchst ungeliebte Arbeit gewesen, alte Zauberbücher von Hand in den Computer einzugeben, und
Weitere Kostenlose Bücher