0498 - Wenn Götter morden
erschlagen!
Steel legte all seine Konzentration in die mentale Brücke zwischen ihm und Anubis. »HALT!«, befahl er. »HALTE EIN! SOFORT! IHN DARFST DU NICHT TÖTEN!«
Anubis verharrte tatsächlich. Aber er protestierte. Ich will sein Blut und sein Leben! Beides gehört mir! Mir allein!
Das bedeutete, daß er nicht mit seinen Artgenossen im Tempel teilen wollte. Während die zu viert das Blut zweier Opfer und damit deren Kraft in sich aufnehmen würden, hatte Anubis hier als einzelner gleich zwei Opfer gefunden. Das gab ihm einen Vorsprung an Macht und Kraft, der ihn selbst über Sobek, das von Steel ausgewählte Oberhaupt der Fünfergruppe, hinausheben würde.
An sich hätte es Steel gleichgültig sein können. Ihn interessierte es nicht, wer unter den Göttern eine Führungsrolle beanspruchte, solange er sie alle unter seiner Kontrolle hielt. Als er sie aus der Vergessenheit rief, hatte er sie zugleich mit seiner Magie in einem bestimmten Bereich ihrer Denkstrukturen geringfügig verändert. Sie konnten bei all ihrer Macht, die mit jedem Opfer wuchs, nichts anderes tun, als ihm zu gehorchen, weil auch sein Einfluß auf sie im gleichen Maße mitwuchs. Das war Steels Rückversicherung, um nicht plötzlich selbst auf dem Opferstein zu landen. Durch diese leichte Veränderung hatte er gleichzeitig aber auch dafür gesorgt, daß »seine« Götter, im Gegensatz zu ihrer früheren Existenz, Menschenblut als Kraftquelle in sich aufnehmen konnten.
Macht über Götter auszuüben! Das war wie ein Rausch für ihn. Mit ihnen als seine gehorsamen Werkzeuge konnten er die Welt beherrschen! Aber diese Herrschaft mußte auf solide Füße gestellt werden. Irgendwann war die Grenze des göttlichen Wachstums erreicht, und möglicherweise mußte er sich seiner Werkzeuge dann entledigen. Seine eigene Macht aber wollte er behalten. Daher mußte er sie rechtzeitig festigen.
Geld ist Macht. Wer Geld hat, bestimmt alles. Das hatte er schon vor langer Zeit verinnerlicht. Und was war einfacher, als riesige Geldmengen unter seine Kontrolle zu bringen, indem er einen riesigen Wirtschaftskonzern übernahm?
Es hätte auch Möbius treffen können oder General Motors, General Electrics, Daimler-Benz oder Mitsubishi. Aber all diese Firmen waren ihm zu durchschaubar; nur T.I. und Möbius boten ihm mit ihren überaus komplizierten Verflechtungen weltweit die beste Tarnung. Als amerikanischer Patriot hatte er die Firma gewählt, deren Stammsitz sich in den USA befand.
Mit der T.I. und den Göttern gemeinsam konnten er den ganzen Erdball unter seine Kontrolle bekommen. Was der eine Machtfaktor nicht zuwege brachte, schaffte der andere. Steel, der hart darum hatte kämpfen müssen, sich in seine jetzige Position hochzubeißen und der doch immer nur eine Randfigur geblieben war, sah jetzt die einmalige Chance, sich in ein gemachtes Nest zu setzen und ganz oben zu sein. Dort, wohin man ihn auf normalem Wege niemals hätte gelangen lassen.
Magie machte es möglich.
Es war ein Zufall gewesen, daß ihm bei Ausgrabungen, über die er berichtet hatte, Schriftkartuschen in die Hände gefallen waren, die einen Zauber in sich bargen. Den Zauber des Gottes Aton, der, vom »Ketzerkönig« Echnaton zum alleinigen Reichsgott erhoben, für kurze Zeit an der Spitze der religiösen Macht gestanden hatte. Mit seinem Zauber hatte Aton die anderen Götter bannen können. Doch die Sterblichen selbst hatten dafür gesorgt, daß Pharao Echnaton von der Weltbühne verschwand, und mit ihm schwand auch Atons Macht. Die alten Götter wurden wieder stark, nach nicht einmal zwei Jahrzehnten. Die Priester aber setzten alles daran, die Spuren von Echnatons kurzer Herrschaft zu verwischen oder seine Taten anderen Pharaonen zuzuschreiben.
Mit der gleichen Energie arbeiten heute Historiker und Archäologen daran, Spuren von Echnatons Herrschaft wiederzufinden oder zu rekonstruieren. Über eine dieser Aktionen hatte der Journalist Timo Steel berichten wollen. Dabei war das Forscherteam auf jene Kartuschen gestoßen, mit denen es zunächst nichts hatte anfangen können. Steel war dabei gewesen, als ein Experte sie dann übersetzt hatte - und er hatte seine große Chance erkannt.
Er hatte die Texte fotografiert, und die Übersetzungen gleich mit. Nur einen halben Tag später erreichte ihn die Nachricht, daß der Übersetzer einen tödlichen Autounfall erlitten hatte; sein Wagen war völlig ausgebrannt, die wertvollen Originale, die er leichtsinnigerweise bei sich geführt
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