0499 - Die Hexe von Stonehenge
kleidet sich momentan wieder im Hippie- und Zigeunerlook der 68er.«
»Dann hol doch deine Klamotten von damals wieder aus dem Schrank«, schlug Zamorra vor.
»Die haben doch längst die Motten gefressen!«
Damit glaubte sie das letzte Wort in dieser Angelegenheit gesprochen zu haben.
Sie nahmen die Frühmaschine.
Der Diener Raffael Bois hatte sie mit dem Wagen zum Flughafen nach Lyon gebracht, und per Direktflug dauerte es nicht sonderlich lange, bis sie über dem Heathrow-Airport kreisten und schließlich zur Landung zugelassen wurden. Bei der Paßkontrolle, die es trotz der Grenzöffnung der EG in England immer noch gab, fiel Nicole auf, daß Zamorra seinen Sonderausweis mit sich führte. Den hatte er vor Jahren einmal ausgestellt bekommen, um im Auftrag des britischen Innenministers aktiv werden zu können, aber der hatte diesem Ausweis nicht nur unbegrenzte Gültigkeit verliehen, sondern ihn auch nach Ende des Einsatzes nie wieder zurückgefordert. Dieser Ausweis gab Zamorra nicht nur die Berechtigung, in Großbritannien eine Waffe zu tragen, sondern stattete ihn auch in begrenztem Ausmaß mit polizeilichen Vollmachten aus. Zamorra hütete sich allerdings, diesen Ausweis zu mißbrauchen. Er war so etwas wie der Joker für absolute Notfälle.
»Warum hast du denn das Ding aus dem Tresor gefischt«, wollte Nicole wissen, als sie die Kontrollen hinter sich hatte. Zamorra stutzte, sah in seine Brieftasche und schüttelte den Kopf. »Muß ein Routinegriff gewesen ! sein, weil wir nach England flogen… Ich bin mir gar nicht bewußt, dieses Prachtstück eingesteckt zu haben…«
Draußen warteten zwei Angestellte des weltweit operierenden Möbius-Konzerns. Wenn Zamorra in London landete, brauchte er keinen Mietwagen zu ordern. Er besaß hier sein eigenes, in der Grafschaft Dorset zugelassenes Auto, das während seiner Abwesenheit von der Londoner Niederlassung des Möbius-Konzerns gewartet und bereitgehalten wurde. Die enge Freundschaft zu Junior- und Seniorchef des Unternehmens machte sich hier deutlich bezahlt.
Zamorra nahm den Wagenschlüssel entgegen. Gepäck führten sie nicht mit sich. Im Beaminster-Cottage hatten sie alles, was sie brauchten. Das Landhaus war nach der von dar Parascience-Sekte ausgelösten Explosion restauriert worden und somit wieder bewohnbar. Es bot sich an, dort ein paar Tage Urlaub zu machen und nicht nur den Earl of Pembroke in seinem nahe gelegenen Gespenster-Asyl zu besuchen, sondern auch mit den Leuten aus dem Dorf zu plaudern, die im Laufe der Jahre zu guten Bekannten geworden waren. Ein Abstecher nach Stonehenge bei Amesbury war kein Problem. Die Zimmerreservierung vor Ort hatte Nicole der Möbius-Niederlassung anvertraut.
Der Wagen blieb noch eine Weile auf dem Airport-Parkplatz stehen, weil Nicole auf ihrem Einkaufsbummel in London bestand und Zamorra trotz strahlenden Sonnenscheins kein Interesse daran hatte, sich mit dem 560 SEL in den Verkehrsinfarkt der City zu stürzen. Dafür gab es öffentliche Verkehrsmittel. Sie waren erst am späten Nachmittag wieder am Wagen. Aber sie hatten ja Zeit. Niemand bedrängte sie, und im erlaubten gemütlichen 112-Meilen-Tempo ließ Zamorra schließlich den metallicweißen Mercedes über die Autobahn nach Westen rollen.
***
Marsha Bellows zeigte sich immer noch etwas reserviert. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie darauf brannte, an einer Sonnenwendfeier in Stonehenge teilnehmen zu können. Dabei sagte ihr ihr Verstand, daß Owen sie längst durchschaut hatte. Schließlich wußte er ja um ihr Faible für diese mehr als 4000 Jahre alte, rätselhafte Kultstätte, über die so unglaublich viel geschrieben und spekuliert worden war. Ein Druiden-Tempel sollte es angeblich gewesen sein, dabei hatten die Druiden ihre Rituale auf Waldlichtungen abgehalten, zwischen Bäumen, in lebender Natur, nie aber zwischen toten Steinen oder gar in Tempelkonstruktionen. Es gab jede Menge Hügelgräber rund um Stonehenge, so daß man die Anlage auch schon als riesiges Gräberfeld bezeichnet hatte. Marsha war von der dritten Theorie überzeugt, nach der es sich bei Stonehenge um ein Observatorium handelte. Aber dagegen sträubte sich die Geschichtswissenschaft natürlich mit Händen und Füßen. Nur ungern warf man in Jahrhunderten verstaubte Ansichten fort, um sich Neuem zu öffnen, das nicht hinter das fest vor den Kopf genagelte Brett paßte. Marsha war nicht so verbohrt, zu sagen, es müsse sich um ein prähistorisches Observatorium
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