0499 - Garingas Fluch
absonderte.
Ich drehte mich nach rechts. Der Lichtkegel meiner Lampe traf jetzt das Mauerwerk des Zwischenbaues, aber nicht nur das. Er leuchtete auch eine Fensterritze aus. Es war der reine Zufall, daß ich den schmalen Spalt erwischte.
Ich ging darauf zu.
Die Grabsteine wuchsen kreuz und quer aus dem weichen Boden. Mehr als einmal standen sie mir im Weg, so daß ich ihnen ausweichen mußte.
Das Zwischenstück besaß die gleiche Dachform wie der Turm und der eigentliche Bau der Kirche.
Die Pfannen waren noch relativ gut erhalten. Ich jedenfalls hatte bisher noch keine Löcher entdeckt.
Auch das Mittelstück war gut erhalten. Als ich die Hand kantete, konnte ich gegen eine Tür leuchten. Sie stellte die Verbindung zum Turm her und war geschlossen.
Selbst aus dieser Entfernung sah sie sehr mächtig und stabil aus, als hätte man sie für die Ewigkeit gebaut.
Es hatte keinen Sinn, wenn ich noch länger vor der Templer-Kirche blieb, ich mußte hinein.
Kaum hatte ich mich gedreht und war einige Schritte gegangen, als es geschah.
Es hörte sich an, als hätte jemand gegen ein Metallstück geschlagen und somit einen nachhallenden Ton erzeugt.
Ich blieb stehen, schaute mich um, hörte das Geräusch zum zweitenmal, auch ein drittes und viertes Mal.
Es stoppte nicht mehr.
Dabei schwang es von der Höhe auf mich herab. Ich schaute gegen den Turm, das dünne Bimmeln klang wie bei einer Totenglocke.
Bim…bim…bim…
Tagsüber hätte es mich kaum gestört. In der Stille und inmitten dieser grauschwarzen Nacht berührte es mich dennoch auf eine ungewöhnliche Art und Weise.
Den Schauer, der dabei über meinen Rücken kroch, konnte ich einfach nicht zurückhalten.
Und die Glocke bimmelte weiter. Es hätte mich nicht gewundert, wenn plötzlich ein Leichenzug erschienen wäre, um einen weiteren Toten auf diesem alten Flecken Erde zu begraben.
Wenn Glocken läuten, hat das etwas zu bedeuten. Manche rufen zum Gottesdienst. War das auch hier der Fall? Sollte mich das Bimmeln der Glocke in die alte Templer-Kirche holen?
Ich wartete. Jedes Geläut verstummt irgendwann einmal. So war es auch hier. Nach einer Weile ich hatte die Minuten nicht gezählt - nahm das dünn klingende Bimmeln an Lautstärke ab. Ein letztes Echo wehte noch durch die Nacht, dann war es vorbei.
Ende…
Es hatte sich nichts getan. Ich stand auf dem Fleck und holte tief Luft. Allerdings kam ich mir wie beobachtet vor. Augen mußten irgendwo in der Dunkelheit lauern, die mich unter Kontrolle hielten.
Noch war nichts zu sehen.
Dafür hörte ich etwas.
»Du bist gekommen, endlich. Die Prophezeiung ist eingetroffen.«
***
Die ungewöhnlichen Worte hatte ein Mann gesprochen, der sich in meinem Rücken aufhalten mußte. Es war schon eine ältere Stimme gewesen, so etwas hörte man heraus.
Ich gab keine Antwort, drehte mich aber um, leuchtete nach vorn und traf eine Gestalt, die über den alten Kirchhof schritt und jetzt mit beiden Händen abwinkte.
Ich verstand und löschte die Lampe.
Die Gestalt kam näher. Sie ging mit etwas unsicheren Schritten und hob sich wegen ihrer dunklen Kleidung kaum vom Untergrund ab. Ich ließ sie so nahe herankommen wie möglich. Der Mann blieb plötzlich stehen, schaute mich an, und sein Blick hatte dabei etwas Prüfendes bekommen, als wollte er herausfinden, ob ich auch derjenige war, für den er mich hielt.
Ich betrachtete den Fremden ebenfalls.
Er gehörte tatsächlich nicht mehr zu den Jüngsten. Sein Haar war weiß geworden. Es lag um seinen Kopf wie alter Schnee. Das Gesicht wirkte klein. Die Haut zeigte die Spuren des Alters, das Kinn besaß eine fliehende Form. Seine Lippen erkannte ich nur bei genauem Hinsehen. Die Nase stach schief wie ein geknickter Knochen aus dem Gesicht. Aber die Augen über ihr funkelten hellwach.
Der Anzug paßte sich in seiner Farbe der Graberde an.
»Ich wußte, daß du kommen würdest«, sagte er zur Begrüßung. »Einmal ist es soweit.«
»Ja«, erwiderte ich. »Jetzt bin ich hier. Da Sie mich zu kennen scheinen, möchte ich gern von Ihnen wissen, wer Sie sind.«
»Ich heiße Sauners.«
»Gut, Mr. Sauners. Mein Name ist John Sinclair…«
»So heißt du also. Ich kannte deinen Namen nicht, aber ich wußte, daß du kommen würdest.«
»Woher?«
»Weil die Zeit einfach reif dafür ist. Jeder, der sich auskennt, weiß, daß das Geheimnis des Dunklen Grals nicht für alle Zeiten verborgen bleiben kann.«
»Sie kennen es?«
Saunders schaute mich an und trat einen Schritt
Weitere Kostenlose Bücher