05 - Denn bitter ist der Tod
als sonst.«
»Wie meinst du das?«
»Na, ich hatte nicht den Eindruck, daß sie sich irgendwelche Sorgen machte. Darum dachte ich, ich hätte mich vielleicht getäuscht.«
»Vielleicht hat sie sich wirklich keine Sorgen gemacht. Eine uneheliche Schwangerschaft ist ja heute nicht mehr eine Katastrophe wie vor dreißig Jahren.«
»In Ihrer Familie vielleicht nicht.« Miranda lachte. »Aber mein Vater würde bestimmt keine Freudentänze aufführen, wenn ich mit so einer Neuigkeit ankäme. Und ich glaube nicht, daß Elenas Vater anders ist.«
»Hey, Randie, es geht los«, rief der Saxophonist durch den Saal.
»Komme schon«, rief sie zurück. Mit einem vergnügten Nicken verabschiedete sie sich von Lynley und Helen. »In der zweiten Nummer hab ich ein Solo«, sagte sie noch und eilte davon.
Der Raum füllte sich immer mehr. Leute kamen mit ihren Gläsern aus der Cafeteria herein, andere kamen von draußen, da die Musik zweifellos in den umliegenden Gebäuden zu hören war. Köpfe nickten im Takt, Hände schlugen auf Stuhllehnen und an Biergläsern. Die Zuhörer waren gewonnen, und nach dem abrupten Ende des Stücks folgte auf einen Moment verblüffter Stille begeisterter Applaus.
Die Band nahm den Beifall nur mit einem kurzen Nicken des Mannes am Keyboard zur Kenntnis, und noch ehe der Applaus sich richtig gelegt hatte, stimmte das Saxophon die vertraute schwüle Melodie von Take Five an. Nachdem der Saxophonist das Stück einmal ganz durchgespielt hatte, begann er zu improvisieren. Der Bassist untermalte die Melodie mit drei sich ständig wiederholenden Tönen, und der Schlagzeuger hielt den Beat, sonst jedoch war das Saxophon allein. Der Musiker legte sich gewaltig ins Zeug - die Augen geschlossen, den mageren Körper weit nach rückwärts gebogen, sein Instrument steil in die Höhe gerichtet.
Als er zum Ende seiner Improvisation kam, nickte er Randie zu, die aufstand und mit seinem letzten Ton übernahm. Wieder begleitete der Baß, wieder gab der Schlagzeuger den Beat an. Aber der Sound der Trompete veränderte die Stimmung des Stücks. Es bekam einen ungeheuer klaren, beinahe überirdischen Klang, einen Ausdruck unbeschwerter Freude.
Wie der Saxophonist blies Miranda mit geschlossenen Augen und klopfte mit dem rechten Fuß den Takt. Doch im Gegensatz zum Saxophonisten zeigte sie, als ihr Solo beendet war und die Klarinette übernommen hatte, ganz offen ihre Freude über den Applaus, den sie bekam.
Mit der dritten Nummer, Just a Child, änderte sich die Stimmung von neuem. Es war ein Stück für Klarinettisten - einen dicken Rothaarigen mit schweißnassem Gesicht - und hatte einen rauchigen Sound, der von schummrigen Bars sprach, von rauchumflorten Lampen und Gläsern mit Gin.
Mit dem vierten Stück, das Black Nightgown hieß, ging der erste Teil des Konzerts zu Ende. Es gab einen Proteststurm, als der Keyboardspieler ankündigte »Wir machen jetzt eine Viertelstunde Pause«, aber da sich die Musiker nicht erweichen ließen, schob sich die Menge schließlich in die benachbarte Bar. Lynley schloß sich an.
Die beiden Darts-Spieler waren immer noch zugange. Die Aufführung im Nebenraum hatte sie weder in ihrer Konzentration noch in ihrem Eifer stören können. Der jüngere Mann war mittlerweile anscheinend zu Höchstform aufgelaufen; die Punktzahl an der Anschreibtafel zeigte, daß er seinen bärtigen Gegner fast eingeholt hatte.
»Und jetzt der letzte Wurf«, verkündete er und schwenkte seinen Wurfpfeil mit der schwungvollen Geste eines Zauberers, der gleich ein Kaninchen aus dem Zylinder ziehen wird. »Von rückwärts über die Schulter mitten ins Schwarze. Dann bin ich der Sieger. Wer will was drauf wetten?«
»Das fehlte gerade noch!« rief jemand lachend.
»Hau deinen Pfeil rein, Petersen«, rief ein anderer, »und mach dem grausamen Spiel ein Ende.«
Petersen spielte den Enttäuschten. »Ihr Kleinmütigen!« sagte er, drehte sich um, warf seinen Pfeil über die Schulter und machte ein genauso verdutztes Gesicht wie alle anderen, als der Pfeil wie magnetisch angezogen mitten ins Schwarze flog und dort stecken blieb.
Die Zuschauer brüllten. Petersen sprang auf einen Tisch. »Ich nehm's mit jedem auf!« schrie er. »Nur zu, meine Herrschaften. Versuchen Sie Ihr Glück. Collins hier hat gerade mächtig eins auf die Nase gekriegt. Ich brauch neues Blut.« Blinzelnd spähte er durch den Zigarettenrauch. »Sie, Dr. Herington! Sie brauchen sich gar nicht so in die Ecke zu drücken. Ich seh Sie
Weitere Kostenlose Bücher