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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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geben Sie mir bitte einen Tritt. Dieser Bildschirm macht mich total blind.«
    »Also nichts?«
    »Nein. Aber ich hab mich auch nicht richtig reingehängt.«
    Sie seufzte, notierte den letzten Eintrag, den sie gelesen hatte und schaltete das Gerät aus. Sie rieb sich den steifen Hals.
    »Und wie war Hawthorne Lodge?« fragte Lynley. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihr.
    Sie wich seinem Blick aus. »Ach, ganz ordentlich eigentlich. Aber Greenford ist schon ein bißchen sehr weit draußen. Ich weiß nicht, ob meine Mutter die Umstellung schaffen würde. Sie ist an Acton gewöhnt. Das Haus. Sie wissen schon, was ich meine. Sie braucht ihre vertraute Umgebung.«
    Sie spürte, daß er sie ansah, wußte aber auch, daß er ihr keine Ratschläge geben würde. Ihre Lebensumstände waren zu unterschiedlich. Aber er wußte vom Zustand ihrer Mutter und von der Entscheidung, der sie deshalb jetzt ins Auge sehen mußte.
    »Ich komme mir vor wie eine Verbrecherin«, sagte sie dumpf. »Wieso?«
    »Man fühlt sich den eigenen Eltern gegenüber immer in der Verantwortung. Was ist das Beste? fragen wir. Und ist das Beste auch das Richtige, oder ist es nur ein bequemer Ausweg?«
    »Gott bürdet uns keine Lasten auf, die wir nicht tragen können«, hörte Barbara sich sagen.
    »Das ist eine besonders idiotische Platitüde, Havers. Schlimmer noch als die Weisheit, daß sich immer alles zum Besten wendet. So ein Quatsch. Meistens wendet sich alles zum Schlimmsten, und Gott - wenn es ihn gibt - verteilt andauernd untragbare Lasten. Gerade Sie müßten das eigentlich wissen.«
    »Wieso?«
    »Sie sind Polizeibeamtin.« Er stand auf. »Wir haben einen neuen Fall. Außerhalb von London. Ich fahre voraus. Kommen Sie nach, wenn Sie können.«
    Sein verständnisvolles Angebot ärgerte sie. Sie wußte, er würde keinen anderen Beamten mitnehmen. Er würde die doppelte Arbeit leisten, bis sie nachkommen konnte. Sie haßte seine selbstverständliche Großzügigkeit. Er machte sie damit zu seiner Schuldnerin, und sie besaß nicht die Möglichkeit, sich zu revanchieren.
    »Nein«, sagte sie. »Ich regle das zu Hause. Ich bin in - wieviel Zeit, habe ich? Eine Stunde? Zwei?«
    »Havers... «
    »Ich komme mit.«
    »Wir müssen nach Cambridge.«
    Sie hob mit einem Ruck den Kopf und sah die Befriedigung in seinen warmen braunen Augen. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. »Sie sind wirklich ein Narr, Inspector.«
    Er nickte lachend. »Aber nur in der Liebe.«

3
    Anthony Weaver brachte seinen Citroen in der breiten gekiesten Auffahrt seines Hauses in der Adams Road zum Stehen. Er starrte durch die Windschutzscheibe auf den Winterjasmin, der - ordentlich und gebändigt - am Spalier links von der Haustür emporwuchs. In den letzten acht Stunden hatte er in einer Welt zwischen Alptraum und Hölle gelebt, und jetzt war er völlig empfindungslos. Das ist der Schock, sagte ihm sein Verstand. Ganz gewiß würde er wieder zu fühlen beginnen.
    Er machte keine Anstalten auszusteigen. Statt dessen wartete er darauf, daß seine geschiedene Frau etwas sagen würde. Doch Glyn Weaver, die starr und steif neben ihm saß, hüllte sich weiterhin in das Schweigen, mit dem sie ihn schon am Bahnhof in Cambridge begrüßt hatte.
    Sie hatte ihm nicht gestattet, nach London zu kommen und sie zu holen, sie hatte ihm nicht gestattet, ihren Koffer zu tragen oder ihr eine Tür zu öffnen. Sie hatte ihn ihren Schmerz nicht sehen lassen. Er verstand, warum. Er hatte die Schuld am Tod ihrer gemeinsamen Tochter bereits auf sich genommen. Er hatte diese Verantwortung schon in dem Moment übernommen, als er Elena identifiziert hatte. Glyn brauchte ihm ihre Beschuldigungen gar nicht ins Gesicht zu schleudern. Er stimmte ihnen sowieso zu.
    Er sah, wie ihr Blick über die Fassade des Hauses glitt, und war neugierig, ob sie eine Bemerkung machen würde. Seit sie Elena zu Beginn ihres ersten Semesters hergebracht hatte, war sie nicht mehr in Cambridge gewesen, und auch damals war sie nicht in die Adams Road gekommen.
    Er wußte, daß sie das Haus als ein Symbol seiner zweiten Ehe und seines beruflichen Ehrgeizes sehen würde, als ein Paradestück seines Erfolges. Klinker, zwei Stockwerke, weiße Türen und Fenster, eine Glasveranda mit einer Dachterrasse darüber. Das war etwas ganz anderes als die popelige Drei-Zimmer-Wohnung in der Hope Street, in der sie vor mehr als zwanzig Jahren als junges Ehepaar gehaust hatten. Dieses Haus stand nicht eingeklemmt zwischen zwei anderen

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