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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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dicht an der Straße. Dieses Haus stand allein am Ende einer breiten, vornehmen Auffahrt. Es war das Haus eines Ordinarius, eines angesehenen Angehörigen der Fakultät für Geschichte.
    Rechts vom Haus schloß eine in Herbstfarben glühende Rotbuchenhecke den großen Garten ab. Durch eine Lücke in den Büschen näherte sich mit großen Sprüngen ein irischer Setter dem Wagen. Beim Anblick des Tieres sprach Glyn zum ersten Mal. Ihre Stimme war leise und verriet keine Emotion.
    »Das ist ihr Hund?«
    »Ja.«
    »Wir konnten in London keinen halten. Die Wohnung war zu klein. Sie hat sich immer einen Hund gewünscht. Sie wollte einen Spaniel. Sie...«
    Glyn brach ab und stieg aus dem Wagen. Der Hund kam mit hängender Zunge zögernd zwei Schritte näher. Glyn betrachtete das Tier, machte jedoch keinen Versuch, es zu lokken. Es kam noch ein Stück näher und beschnupperte ihre Füße. Sie zwinkerte einmal hastig und sah zum Haus zurück.
    »Justine hat dir ein sehr schönes Zuhause geschaffen, Anthony«, sagte sie.
    Die Haustür zwischen Backsteinpilastern öffnete sich, polierte braune Eichenpaneele fingen das rasch schwindende Nachmittagslicht ein, das durch den Nebel fiel. Anthonys Frau Justine stand dort, eine Hand auf dem Türknauf. »Glyn«, sagte sie. »Bitte kommen Sie doch herein. Ich habe Tee gemacht.« Danach kehrte sie ins Haus zurück, klug genug, kein Beileid auszusprechen, wo es nicht willkommen gewesen wäre.
    Anthony folgte Glyn ins Haus, trug ihren Koffer ins Gästezimmer hinauf und kam dann ins Wohnzimmer, wo die beiden Frauen ihn erwarteten. Glyn stand am Fenster mit Blick auf den Rasen und die eleganten Gartenmöbel aus weißem Schmiedeeisen, Justine stand beim Sofa, die Hände halb erhoben, die Fingerspitzen aneinandergepreßt.
    Die beiden Frauen hätten nicht unterschiedlicher sein können. Glyn, mittlerweile sechsundvierzig Jahre alt, versuchte offensichtlich gar nicht, sich gegen das nahende Alter zu wehren. Ihr Gesicht war müde, mit tiefen Kerben, die sich von Nase zu Kinn zogen, mit Krähenfüßen um die Augen, mit Kräuselfältchen an der Oberlippe. Die Kinnpartie, wo das Bindegewebe zu erschlaffen begann, verlor schon an Kontur. Ihr dunkles Haar, das sie lang trug, zu einem strengen Knoten zurückgesteckt, war von Grau durchzogen. Ihr Körper begann um Taille und Hüften schwammig zu werden, und sie kleidete sich in Tweed und Wolle, hautfarbene Strümpfe und flache Schnürschuhe.
    Justine hingegen schaffte es mit ihren fünfunddreißig Jahren immer noch, den Eindruck frischer, blühender Jugend zu vermitteln. Ihr Gesicht war apart, ohne schön zu sein, mit zarter, faltenloser Haut, blauen Augen, scharf konturierten Wangenknochen, straffem Kiefer. Sie war groß, schlank, athletisch, und das aschblonde Haar fiel ihr wie in ihrer Jugend voll und lose auf die Schultern. Sie trug noch die Kleider, die sie am Morgen angezogen hatte, als sie zur Arbeit gefahren war - ein schmales graues Kostüm mit breitem schwarzen Ledergürtel, graue Strümpfe, schwarze Pumps, eine silberne Nadel am Revers. Perfekt wie immer.
    Anthony blickte an ihr vorbei ins Speisezimmer, wo sie den Tisch für den Nachmittagstee gedeckt hatte. Es zeigte ihm, wie Justine die Stunden verbracht hatte, seit er sie im Verlag angerufen hatte, um ihr den Tod seiner Tochter zu berichten. Während er im Leichenschauhaus, auf der Polizei, im College, in seinem Büro, am Bahnhof gewesen war, während er die Tote identifiziert, Fragen beantwortet, Beileidsbekundungen entgegengenommen und seine geschiedene Frau angerufen hatte, hatte Justine ihre eigenen Vorbereitungen für die kommenden Tage der Trauer getroffen.
    Sie hatte den Tisch mit ihrem Hochzeitsservice gedeckt, goldgeränderte Tassen und Teller mit einem Rosenmuster, mit blitzendem Silber, schneeweißen Servietten und einem Blumenarrangement. In der Mitte des Tisches warteten ein Mohnkuchen, eine Platte mit feinen Canapés, eine zweite voll frischgebackener scones mit Erdbeermarmelade und Cream.
    Anthony sah seine Frau an. Justine lächelte flüchtig und sagte mit einer flatternden Geste zum Tisch noch einmal: »Ich habe Tee gemacht.«
    »Danke dir, Darling«, sagte er. Die Worte hörten sich unnatürlich an, wie schlecht einstudiert.
    »Glyn.« Justine wartete, bis Glyn sich umdrehte. »Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
    Glyns Blick wanderte zum Tisch und von dort zu Anthony. »Vielen Dank, nein. Ich kann jetzt nichts essen.«
    Justine wandte sich ihrem Mann zu. »Anthony?«
    Er

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