05 - Denn bitter ist der Tod
Mannes achtet streng auf ihr Gewicht.«
»Ist sie da?« fragte Lynley. »Oder ist Mr. Weaver da?«
Glyn führte ihn in den Wintergarten und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nein, sie sind beide weg. Man kann Justine schließlich nicht zumuten, daß sie nach einer Lappalie wie einem Tod in der Familie, ewig zu Hause sitzt und Trübsal bläst. Wo mein geschiedener Mann ist, weiß ich nicht. Er ist erst vor kurzem weg.«
»Ist er mit dem Auto gefahren?«
»Ja.«
»In die Universität?«
»Ich habe keine Ahnung. Plötzlich war er weg. Vermutlich irrt er da draußen im Nebel herum und überlegt, was er als nächstes tun soll. Sie kennen so was wahrscheinlich. Moralische Verpflichtung im Kampf mit schnöder Lust. Bei Konflikten hat er immer seine Schwierigkeiten. Im allgemeinen siegt bei ihm leider die schnöde Lust.«
Lynley ging nicht auf ihre Worte ein. Er spürte genau, was hinter der dünnen Fassade der Höflichkeit in Glyns Innerem tobte: Wut, Haß, Bitterkeit, Neid. Und eine Todesangst davor, diese Emotionen aufzugeben, weil dann der Schmerz in seiner ganzen Stärke hervorgebrochen wäre.
Glyn stellte ihren Teller auf den Korbtisch, auf dem immer noch das Frühstücksgeschirr stand. Sie stapelte die schmutzigen Teller übereinander, ohne auf die Essensreste zu achten. Aber anstatt sie in die Küche zu bringen, schob sie den Stapel nur zur Seite. Ein mit Butter verschmiertes Messer, das auf einen der gepolsterten Sessel fiel, ließ sie einfach liegen.
»Anthony weiß es«, sagte sie. »Und ich nehme an, Sie wissen es auch. Deswegen sind Sie vermutlich gekommen.
Verhaften Sie sie heute noch?«
Sie setzte sich. Der Korbstuhl knarrte unter ihrem Gewicht. Sie nahm eines der Fischbrote und biß herzhaft hinein.
Er sagte: »Wissen Sie, wo sie ist, Mrs. Weaver?«
Glyn kaute gründlich. »Wann können Sie eigentlich jemanden verhaften? Das wollte ich schon immer mal wissen. Brauchen Sie Augenzeugen? Was für Beweise müssen Sie haben? Ich meine, Sie müssen doch der Staatsanwaltschaft etwas vorlegen können, nicht wahr? Sie müssen Beweise haben, die wirklich stichhaltig sind.«
»Hatte sie einen Termin?«
Glyn wischte sich die Hände an ihrem Rock ab und begann, an den Fingern aufzuzählen: »Erstens, der Anruf über das Schreibtelefon, den sie angeblich am Sonntag abend erhalten hat. Zweitens, sie ist am Montag morgen ohne den Hund gelaufen. Drittens, sie hat genau gewußt, wo, wie und wann sie zu finden war. Viertens, sie hat sie gehaßt und ihren Tod gewünscht. Brauchen Sie sonst noch etwas? Fingerabdrücke? Blut? Sonstige Spuren?«
»Ist sie zu ihrer Familie gefahren?«
»Alle haben Elena geliebt. Justine konnte das nicht ertragen. Am wenigsten konnte sie ertragen, daß Anthony seine Tochter geliebt hat. Sie hat Elena dafür gehaßt, daß er ständig versucht hat, ihr seine Liebe zu zeigen und gut mit ihr zu sein. Das wollte sie nicht. Sie hatte Angst, zu kurz zu kommen. Sie war krankhaft eifersüchtig. Sie sind endlich gekommen, um sie zu holen, nicht wahr?«
Sie schmatzte förmlich vor Eifer und Begierde. Lynley fühlte sich an die Menschenmengen erinnert, die sich früher bei den öffentlichen Hinrichtungen verlustiert hatten. Hätte eine Möglichkeit bestanden zuzusehen, wie Justine Weaver von Pferden zu Tode geschleift und in Stücke gerissen wurde, diese Frau hätte sie sich nicht entgehen lassen.
Sein Blick fiel auf den unaufgeräumten Tisch. Neben dem Tellerstapel und einem Buttermesser lag ein Briefumschlag mit dem Emblem der University Press und Justine Weavers Name darauf - in einer energischen, männlichen Hand geschrieben.
Offenbar hatte Glyn seinen Blick bemerkt, denn sie sagte: »Ja, sie ist eine Managerin von hohem Kaliber. Von so jemandem kann man doch nicht erwarten, daß er tatenlos hier herumsitzt.«
Er nickte und machte Anstalten zu gehen.
»Verhaften Sie sie jetzt?« fragte sie wieder.
»Ich habe eine Frage an sie.«
»Ach so. Nur eine Frage. Ah ja. Na gut. Würden Sie sie verhaften, wenn Sie den Beweis in der Hand hätten? Wenn ich Ihnen den Beweis gäbe?« Sie wartete auf seine Reaktion und lächelte befriedigt, als er zögerte und sich nach ihr herumdrehte: »Ja«, sagte sie langsam. «Ja, Inspector, ich kann Ihnen den Beweis liefern.«
Sie eilte aus dem Zimmer. Er hörte von neuem das Gebell des Hundes und ihren lauten ärgerlichen Ruf: »Ach, jetzt sei endlich still!« Der Hund bellte weiter.
»Hier«, sagte sie, als sie zurückkam. Sie hatte zwei Hefter in
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