05 - Der Conquistador
ein erstickter Schrei.
Tom blieb in Bewegung, um ein schlechtes Ziel zu bieten, rollte weiter und sah den Anführer der Bande auf die Stelle zulaufen, wo das Artefakt zum Liegen gekommen war.
Doch auch Pauahtuns Vorstoß wurde gestoppt. Wieder krachte ein Schuss. Aus einer Flinte, keiner Handfeuerwaffe.
Maria Luisa hatte ihrer Großmutter das Gewehr abgenommen und die zweite Schrotladung abgeschossen. Sie riss Späne aus den Holzdielen zwischen dem Anführer und dem Artefakt. Offenbart wollte die junge Frau trotz der Todesgefahr niemanden verletzen.
Der Indio war stehengeblieben, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Doch Tom sah die wilde Entschlossenheit in seinem Blick. So kurz vor dem Ziel würde der Glatzkopf alles riskieren.
»Vergiss es!«, brüllte Tom und richtete die Pistole auf ihn. »Einen Schritt weiter und du stirbst! Ich schieße nicht daneben!«
Als harte Schritte auf der Veranda erklangen, fluchte Pauahtun und gab seinen Komplizen ein Zeichen. Dann verschwanden er, Kulkulcan und der Namenlose mit dem Augentreffer im Durchgang zum Flur – wo sich im nächsten Moment ein wahres Bleigewitter entlud.
»Raus!«, keuchte Tom. »Wir müssen sofort raus hier!«
»Aber die Polizisten …«, setzte Maria Luisa an.
»Du überschätzt die Cops«, knurrte er. Er hatte ein ganz schlechtes Gefühl. »Die werden mit den Kerlen nicht fertig.«
»Und das heißt?« Maria Luisas Stimme klang schrill.
Tom schnappte sich das Artefakt und ließ es im Lederbeutel an seinem Gürtel verschwinden. »Das heißt, dass wir aussteigen – aus dem Fenster. Du hilfst Alejandro, ich kümmere mich um deine Großmutter.«
»Ihr wollt mich mitnehmen?«, meldete sich die alte Dame zu Wort.
»Sie sind hier nicht mehr sicher, Señora. Egal, wie es heute ausgeht!«
Carlota legte die Stirn in Falten. »Aber –«
»Kein Aber, Señora. Vertrauen Sie mir, bitte! Ich kenne solche Leute besser als Sie!«
»- nennen Sie mich doch bitte Abuelita. Señora klingt so förmlich.«
Tom Ericson sträubten sich die Haare. Deine Sorgen möchte ich haben … »Schon gut, schon gut.«
***
Irgendwie schafften sie es nacheinander aus dem schmalen Küchenfenster, ohne dass einer von ihnen sich die Knochen brach. Tom, der das Haus als Letzter verlassen hatte, pirschte zur Ecke und spähte zur Vorderfront.
Was er sah, begrub alle Hoffnungen, sich irgendwie in den Mondeo schleichen und damit wegfahren zu können. Der Streifenwagen blockierte die Ausfahrt komplett.
In seiner Verzweiflung zog Tom sogar in Erwägung, das Polizeiauto zu entwenden, denn die beiden Vordertüren standen sperrangelweit offen. Aber weit wären sie damit ohnehin nicht gekommen.
Er eilte zu den anderen zurück. In der Ferne erklang Sirenengeheul. »Gibt es in der Nähe Freunde, bei denen Sie unterkommen können, Carlota?«
Die Blinde schüttelte den Kopf. Ihre gläsernen Augen blickten durch Tom hindurch. »Aber ganz in der Nähe ist eine … eine Garage.«
»Garage?«, echote Tom, gegen die Hauswand gelehnt und mit dem Revolver in der Hand. Er war bereit, ihre Haut so teuer wie möglich zu verkaufen, sollten die Indios die Polizisten überwinden und ihnen nachjagen.
»Dort ist das Auto meines verstorbenen Mannes untergebracht«, erklärte Carlota. »Ich wollte es erst verkaufen, brachte es dann aber nicht übers Herz. Zu viele Erinnerungen stecken in dem Wagen …«
Aus den umliegenden Häusern ließ sich niemand auf der Straße blicken. Aber aus einer Lücke zwischen zwei Häusern schoss in dem Moment ein protziger schwarzer Mercedes, der den Fahrzeugen entsprach, die Tom beim Überfall auf das Ultimo Refugio gesehen hatte. Der Mercedes jagte in einem Höllentempo heran und stoppte mit quietschenden Reifen neben dem Streifenwagen.
Sofort kamen Gestalten aus dem Haus und liefen auf den Wagen zu. Pauahtun und Kulkulcan trugen gemeinsam ihren toten Kameraden, der am Auge verletzte Indio folgte ihnen. Die Beamten konnten sie offenbar nicht mehr daran hindern. Wenn sie tot waren, wunderte es Tom nicht, dass sie sich zurückzogen; Polizistenmörder waren bei keiner Staatsmacht gut gelitten.
Stattdessen werden sie es wieder mir in die Schuhe schieben!, durchfuhr es ihn heiß. Aber darüber konnte er später noch nachdenken.
Tom wartete, bis der schwarze Mercedes Vollgas gab. Aus der Richtung, in die die Fliehenden sich wandten, kam ihnen der Streifenwagen entgegen, dessen Sirenen schon eine Weile zu hören gewesen waren.
Tom sah noch, wie der Mercedes die
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