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05 - Der Conquistador

05 - Der Conquistador

Titel: 05 - Der Conquistador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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erfolgreich gewesen war.
    Carlota durchmaß den Flur mit sicheren Schritten, die einem inneren Kompass folgten. »Ihr wart schnell«, sagte sie, als sie die Haustür öffnete.
    »Wir sind stets um Eile bemüht«, sagte eine stark akzentuierte fremde Stimme.
    Carlota prallte zurück. »Wer –«
    »Ganz ruhig, Weib! Wir wollen zu deinen neuen Gästen. Und wenn du kooperativ bist, lassen wir dich vielleicht sogar am Leben …«
    ***
    Der Autist war in sein übliches Schweigen verfallen, dennoch hatte Tom den Eindruck, dass er die Nähe seiner Schwester genoss, auch wenn er immer noch leicht zitternd im Fond des alten Ford Mondeo saß. Maria Luisa musste ihn sanft zum Aussteigen drängen.
    Als sie sich Carlotas Haus näherten, war Tom in Gedanken schon wieder bei der Fortführung seiner Übersetzung. Maria Luisa betätigte den gusseisernen Klopfer und gemeinsam wartete sie auf die Schritte der blinden Dame.
    Stattdessen erklang ihre gedämpfte Stimme, die ihnen mitteilte: »Kommt rein, Kinder! Es ist offen!«
    Tom wunderte sich noch eine Spur mehr als Maria Luisa. »Warte«, bat er sie, als sie den Knauf drehen und die Tür öffnen wollte.
    »Was ist?«, fragte sie.
    Alejandro trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Sein Blick wanderte unstet über die Nachbarschaft.
    »Ist es normal, dass deine Großmutter nicht abschließt?«, fragte Tom mit gesenkter Stimme. »Und warum nennt sie uns ›Kinder‹? Heute Morgen waren wir noch nicht per du.«
    Maria Luisa wirkte bestürzend sorglos. Sie hatte ihren Bruder wieder und nun offenbar ihre Aufmerksamkeit zurückgeschraubt. Achselzuckend fragte sie: »Na und? Ich verstehe nicht –«
    »Du scheinst zu vergessen, in welcher Gefahr wir schweben«, fuhr Tom im Flüsterton fort. »Nicht nur die Polizei ist hinter uns her, sondern auch eine Bande mordlüsterner Indios!«
    »Aber niemand weiß, dass wir hier sind.«
    Tom schüttelte den Kopf. »Wir wissen nicht, über welche Möglichkeiten unsere Verfolger verfügen. Wir müssen wachsam sein!«
    Jetzt erschrak sie doch und presste die Lippen zusammen.
    Etwa eine halbe Minute standen sie nun schon vor der Tür, und es war nur folgerichtig, dass Carlota von drinnen rief: »Wo bleibt ihr denn? Ich bin in der Küche!«
    Maria Luisa tauschte einen Blick mit Tom, dann rief sie durch die immer noch geschlossene Tür: »Würde es dir etwas ausmachen, abuelita, kurz an die Tür zu kommen?«
    Eine kurze Pause. Dann: »Ich kann gerade nicht, Kindchen. Ich stehe am Herd und mache das Mittagessen!«
    Maria Luisa sah Tom hilfesuchend an.
    Der wusste, dass er in Erklärungsnot kommen würde, wenn er den Bogen überspannte. Trotzdem verließ er sich auf sein Bauchgefühl, und das sagte ihm, dass hier etwas nicht stimmte. »Wir brauchen Verbandszeug, Carlota!«, rief er. »Alejandro ist hingefallen und hat sich das Knie aufgeschlagen – er blutet!«
    Maria Luisa warf ihm einen entrüsteten Blick zu.
    Endlich näherten sich Schritte im Flur. Aber es waren nicht die einer alten, dürren Frau!
    »Zurück zum Wagen!«, zischte Tom. Er verfluchte den Umstand, dass die Pistole, die ihm im Ultimo Refugio so gute Dienste geleistet hatte, leergeschossen in seinem Zimmer lag. Erst recht, als im nächsten Moment die Tür aufschwang und eindeutig nicht Carlota im Rahmen erschien.
    »Schluss mit den Mätzchen! Rein mit euch – und keine Dummheiten, sonst ist die Alte hinüber!«
    Der Mann, der sie mit finsterer Miene musterte, war für Tom kein Unbekannter. Er war ihm schon mehrfach begegnet, so im Dschungel, als Seymor Branson starb, als auch beim Überfall auf den Kunstsammler und zuletzt im Ultimo Refugio.
    Ein überdurchschnittlich groß gewachsener Indio mit kahlrasiertem Schädel, fehlenden Ohrläppchen und einem eleganten Anzug, der wie ein Anachronismus an ihm wirkte: Pauahtun.
    Er trug keine sichtbare Waffe, dafür wedelte er mit der Kladde und fragte: »Was ist dir mehr wert – der Stein, den du gestohlen hast, oder Menschenleben?«
    »Die anderen haben nichts damit zu tun!«, presste Tom hervor. »Das ist eine Sache zwischen uns beiden!« Unwillkürlich berührten seine Finger den Beutel, der an seinem Gürtel hing.
    Der Indio schüttelte in falschem Bedauern den Kopf. »Zu spät«, sagte er und streckte Tom die freie Hand entgegen. »Den Stein!«
    Tom schüttelte den Kopf. »Ich komme ins Haus und gebe ihn euch. Aber vorher lasst ihr die beiden hier«, er wies auf die Geschwister, »und ihre Großmutter gehen.«
    Pauahtun lachte

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