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05 - Der Kardinal im Kreml

05 - Der Kardinal im Kreml

Titel: 05 - Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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er nun etwas, auf das er sich konzentrieren konnte. Mischa war aber auch körperlich erschöpft, und die Kombination aus psychischer Wachheit und physischer Müdigkeit versetzte ihn in eine Art Traumzustand, in dem er nicht mehr in der Lage war, die Realität von Imaginärem zu unterscheiden.
«Drehen Sie sich um, Filitow!» dröhnte Watutin. «Schauen Sie mich an, wenn ich mit Ihnen rede! Ich habe Ihnen eine Frage gestellt: Was würden die Männer sagen, die mit Ihnen gedient haben?»
«Wer -»
«Wer? Die Männer, die Sie anführten, Sie alter Narr!»
«Aber -»Er drehte sich noch einmal um, aber die Gestalt war verschwunden.
«Iwanenko, Puchow, dieser Gefreite Romanow, alle die Männer, die für Sie gestorben sind -, was würden die jetzt sagen?»
«Die hätten Verständnis!» Mischa wurde nun völlig vom Zorn übermannt.
«Wofür denn? Wofür hätten sie Verständnis?»
«Sterben mußten sie wegen Männern wie Ihnen!»
«Ihre Söhne etwa auch?»
«Jawohl! Meine schönen, tapferen Jungs, die Soldaten wurden wie ich und -»
«Und Ihre Frau?»
«Sie vor allem!» fauchte Filitow zurück und beugte sich über den Tisch. «Sie haben mir alles genommen, Sie Tschekistenschwein -, und da wundert es Sie noch, daß ich zurückschlagen mußte? Niemand hat dem Staat besser gedient als ich, und sehen Sie sich meine Belohnung an, die Dankbarkeit der Partei. Mir wurde alles genommen, und Sie sagen, ich hätte die Rodina verraten. Nein, Sie sind der Verräter, an ihr und an mir!»
«Und deshalb trat Penkowski an Sie heran, und deshalb haben Sie dem Westen jahrelang Informationen zugespielt, uns all die Jahre zum Narren gehalten!»
«Eine Kleinigkeit, Ihresgleichen zum Narren zu halten!» Mischa hieb mit der Faust auf den Tisch. «Dreißig Jahre, Watutin, dreißig Jahre lang habe ich -»Er hielt inne, hatte einen sonderbaren Ausdruck im Gesicht, war verwundert über das, was er gerade gesagt hatte.
Watutin ließ sich mit seiner Antwort Zeit und sagte dann sanft: «Danke, Genosse Oberst, das reicht für den Augenblick. Später besprechen wir, was genau Sie alles an den Westen verraten haben. Ich verachte Ihre Tat, Mischa. Verrat kann ich weder vergeben noch verstehen, aber Sie sind der tapferste Mann, dem ich je begegnet bin. Ich hoffe nur, daß Sie sich dem Rest Ihres Lebens mit ebenso großer Tapferkeit stellen werden. Es ist nun wichtig, daß Sie den Konsequenzen Ihres Verbrechens ebenso mutig ins Auge sehen wie den Faschisten, damit Sie Ihr Leben so ernsthaft beenden können, wie Sie es gelebt haben.» Watutin drückte auf einen Knopf, die Tür öffnete sich. Wärter führten Filitow ab, der sich verblüfft umdrehte und offenbar nicht verstand, wie ihm geschehen war. Der Oberst des Zweiten Hauptdirektorats erhob sich nach einer Minute, sammelte nüchtern seine Akten ein, verließ den Raum und begab sich ein Stockwerk höher.
«Sie hätten einen guten Psychiater abgegeben», kommentierte der Arzt.
«Hoffentlich ist das alles auf Band», sagte Watutin zu seinen Technikern.
«Alle drei Maschinen haben es aufgenommen, und auch die Videoaufzeichnung ist perfekt.»
«Das war der hartnäckigste Fall, den ich je erlebt habe», sagte ein Major.
«Jawohl, ein zäher, tapferer Mann. Kein Abenteurer, kein Dissident, sondern ein Patriot - dafür hielt sich der arme Teufel wenigstens. Er wollte das Land vor der Partei retten.» Watutin schüttelte verwundert den Kopf. «Wo bekommt man nur solche Ideen her?»
Dein Vorsitzender, mahnte er sich, hat etwas Ähnliches vor - er will das Land für die Partei sichern. Watutin dachte weiter über diese Parallelen nach und wies sich zurecht: Solche Gedanken standen einem schlichten Abwehroffizier nicht zu - zumindest noch nicht.
«Doktor, sorgen Sie dafür, daß er sich ausschlafen kann», sagte er auf dem Weg nach draußen. Ein Wagen stand für ihn bereit.
Zu seiner Überraschung stellte Watutin fest, daß es Morgen war. Um so besser, dachte er: Da konnte er gleich zum Vorsitzenden. Am erstaunlichsten war, daß er sich von nun an wieder an ganz normale Arbeitszeiten halten, richtig schlafen und um seine Familie kümmern konnte. Watutin lächelte. Und auch auf eine Beförderung konnte er sich freuen, denn er hatte den Mann früher als versprochen zum Reden gebracht.
Watutin erwischte den Vorsitzenden zwischen zwei Besprechungen. Gerasimow starrte versonnen zum Fenster hinaus auf den Dserschinski-Platz, als er eintrat.
«Genosse Vorsitzender, ich habe das Geständnis», verkündete Watutin. Gerasimow

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