05 - Der Kardinal im Kreml
am liebsten gefragt, aber das ging leider nicht.
Seine Crew machte die Maschine schon klar für den Rückflug. Die
Männer hatten nun zwei Tage Zeit für die Sehenswürdigkeiten von
Moskau gehabt und wollten wieder nach Hause. Über das, was Ryan
ihm gesagt hatte, durfte von Eich sie erst morgen abend informieren. Auf
ihre Reaktion war er schon gespannt.
Die Sitzung endete wie geplant und mit einer Andeutung der Sowjets,
über die Inspektionszeiten könne man morgen reden. Da werden wir uns
aber beeilen müssen, dachte Ryan, denn die Delegation flog morgen
abend ab und mußte greifbare Ergebnisse mit nach Hause bringen.
Immerhin war bereits ein Gipfeltreffen avisiert, diesmal in Moskau.
Hoffentlich gibt es dann ein Abkommen, das unterzeichnet werden
kann, dachte Ryan.
Golowko sah die Amerikaner abfahren und winkte dann seinen Wagen
herbei, der ihn in die KGB-Zentrale brachte. Dort ging er geradewegs
zum Büro des Vorsitzenden.
«Nun, was haben unsere Diplomaten heute verschenkt?» fragte Gerasimow ohne Umschweife.
«Morgen werden wir wohl unseren abgeänderten Vorschlag für Warnzeiten vor Inspektionen unterbreiten.» Golowko machte eine Pause und
fuhr dann fort. «Ich habe heute mit Ryan gesprochen und eine Veränderung in seinem Verhalten festgestellt, die ich gerne melden möchte.» «Weiter», sagte der Vorsitzende.
«Genosse Vorsitzender, ich weiß nicht, was Sie mit ihm besprochen
haben, aber er benimmt sich plötzlich anders», erklärte Golowko und
gab seine Beobachtungen wieder.
«Ah, ja. Über den Inhalt der Gespräche kann ich Ihnen leider keine
Auskunft geben - das betrifft eine andere Abteilung -, ich würde mir
aber an Ihrer Stelle keine Sorgen machen, Oberst. Ich kümmere mich
persönlich um diese Angelegenheit und nehme Ihre Wachsamkeit zur Kenntnis. Ryan wird lernen müssen, seine Gefühle im Zaum zu halten. Nun ja, er ist halt kein Russe.» Für seine Scherze war Gerasimow sonst nicht gerade bekannt, dies hier war eher eine Ausnahme.
«Sonst noch etwas zu den Verhandlungen?»
«Mein schriftlicher Bericht wird morgen früh auf Ihrem Schreibtisch
liegen.»
«Gut.» Gerasimow schaute dem Mann nach. Seine Miene blieb unverändert, bis die Tür ins Schloß gefallen war. Es ist hart, ausgerechnet gegen
einen Amateur zu verlieren, sagte er sich. Doch nun lag die Entscheidung
hinter ihm. Es tat ihm zwar leid um seine Offiziere in New Mexico, aber sie
hatten versagt und daher ihr Schicksal verdient. Er griff nach dem Telefon
und wies seinen Privatsekretär an, für seine Frau und seine Tochter am
nächsten Morgen Plätze in der Maschine nach Tallinn zu besorgen. Ein
Wagen mit Chauffeur, der auch als Leibwächter fungieren sollte, würde
ebenfalls gebraucht. Es handele sich ja nur um einen Familienbesuch.
Gerasimow legte auf und sah sich in seinem Büro um. Die Macht wirst du
vermissen, dachte er. Sein Leben aber war ihm wichtiger.
«Und dieser Oberst Bondarenko?» fragte Watutin.
«Ein erstklassiger junger Offizier. Hochintelligent. Wird einen guten General abgeben, wenn er alt genug ist.»
Watutin fragte sich, wie er dieses Thema in seinem abschließenden Bericht behandeln sollte. Abgesehen von der Tatsache, daß er für Filitow gearbeitet hatte, lag nichts Belastendes gegen Bondarenko vor. Andererseits hatte auch kein Verdacht gegen Filitow bestanden - trotz seiner Verbindung mit Penkowski. Oberst Watutin schüttelte verwundert den Kopf. Dieser Fall würde auf Lehrgängen immer wieder behandelt werden. Hat das denn niemand gesehen? mußten die jungen Offiziere dann fragen. Wie konnte man nur so dumm sein? Nun, weil sich nur Vertrauenspersonen zu Spionen eignen - Menschen, denen man nicht traut, gibt man keine geheimen Informationen. Und die Moral von der Geschichte? Trau keinem.
Watutin kehrte zu Bondarenko zurück und fragte sich, was aus dem Mann werden würde. Wenn er wirklich so loyal und hervorragend war, sollte er diese Affäre unbeschadet überstehen. Aber - es gab halt immer ein Aber - es mußten noch weitere Fragen gestellt werden. Watutin ging ans Ende seiner Liste. Der vorläufige Bericht mußte bis morgen vormittag auf Gerasimows Schreibtisch liegen.
Der Anstieg im Stockfinstern nahm die ganze Nacht in Anspruch. Von Süden her waren Wolken aufgezogen und verdeckten Mond und Sterne; Licht spendeten nur die Scheinwerfer an der Umzäunung ihres Ziels, das nun in Sicht war. Schon konnten die verschiedenen Einheiten über ihre Aufträge informiert werden. Der Bogenschütze wählte sich eine
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