05 - Der Kardinal im Kreml
trotz der angespannten Versorgungslage für einen Fehler hielt.
«Meiner Frau bestimmt nicht», erwiderte Bondarenko. «Seit zwanzig Jahren ist sie mir von einem Posten zum anderen gefolgt und hat sich jetzt an Moskau gewöhnt.» Er schaute über den Zaun und lächelte. Kann man dieser Aussicht je müde werden? Aber was wird meine Frau sagen? Es kam aber nicht oft vor, daß ein sowjetischer Soldat vor eine solche Wahl gestellt wurde, und das würde sie bestimmt verstehen.
«Vielleicht läßt sie sich mit Generalssternen für Sie versöhnen. Außerdem sind wir dabei, das Leben hier angenehmer zu machen. Im nächsten Sommer wird die Schule fertig, dann kommen alle Kinder hierher. Selbstverständlich» - er lachte - «müssen wir dann noch einen Wohnblock hochziehen.»
«Wenn das so weitergeht, haben wir in fünf Jahren nicht mehr genug Platz für die Laser. Wie ich sehe, haben Sie den höchsten Punkt für sie freigehalten.»
«Ja, nach neun Monaten Papierkrieg bekam ich die Genehmigung auf das Argument hin, daß wir dort später etwas Leistungsfähigeres bauen könnten.»
«Den wahren Hellen Stern.»
«Den Sie errichten werden, Gennadi Josifowitsch.»
«Jawohl, Genosse General. Ich nehme Ihr Angebot an, wenn Sie mich
noch haben wollen.» Er drehte sich um und schaute noch einmal über das Gelände. Eines Tages ist das alles mein.
«Allahs Wille», meinte der Major achselzuckend.
Er wurde des Ausspruchs müde. Die erzwungene Änderung ihrer
Pläne stellte die Geduld und sogar den Glauben des Bogenschützen auf
die Probe. Seit sechsunddreißig Stunden rollten immer wieder sowjetische Truppentransporte über die Talstraße. Die Hälfte seines Verbandes
war nun auf der anderen Seite, der Rest beobachtete die Kolonnen von
Lastern und Schützenpanzern und wartete.
«Warten fällt schwer», bemerkte der Major. «Der Verstand hat nichts
zu tun, Fragen schleichen sich ein.»
«Was sind Ihre Fragen?»
«Wann hat der Krieg ein Ende? Es gehen Gerüchte, aber die höre ich
schon seit Jahren. Ich habe diesen Krieg satt.»
«Die meiste Zeit haben Sie doch auf der anderen Seite -»
Der Kopf des Majors fuhr herum. «Sagen Sie das nicht! Jahrelang habe
ich Ihrer Gruppe Informationen geliefert. Hat Ihnen Ihr Anführer das
nicht gesagt?»
«Nein. Ich wußte zwar, daß wir Material zugespielt bekamen, aber -» «Tja, er war ein guter Mann, der wußte, daß er mich schützen mußte.
Wissen Sie, wie oft ich meine Truppen auf sinnlose Streifengänge
schickte, damit sie euch nicht sahen, wie oft ich mich von meinen eigenen
Landsleuten beschießen lassen mußte, die meinen Namen verfluchten?»
Von dem jähen Gefühlsausbruch waren beide Männer verblüfft. Jeder
Mann hat seine eigene Geschichte, dachte der Bogenschütze und antwortete schlicht: «Das Leben ist hart.»
«Für die da oben auf dem Berg wird es noch härter.» Der Major
schaute in die Runde. «Das Wetter schlägt um. Der Wind weht jetzt von
Süden und wird Wolken bringen. Vielleicht hat Allah uns doch nicht im
Stich gelassen. Führen wir das Unternehmen weiter. Mag sein, daß wir
Sein Werkzeug sind und daß Er die Ungläubigen durch uns zum Abzug
bewegen will.»
Der Bogenschütze schaute auf zum Berg. Das Ziel konnte er nicht
mehr erkennen, aber das machte nichts. «Wir schaffen den Rest unserer
Männer in dieser Nacht auf die andere Seite.»
«Gut. Dann sind sie ausgeruht, mein Freund.»
«Mr. Clark?» Der Mann war schweißüberströmt und hatte nach Mancusos Schätzung fast eine Stunde auf der Tretmühle verbracht.
«Ja, Captain?» Clark schaltete den Walkman aus und setzte den Kopfhörer ab.
«Was hören Sie da?»
«Jones aus dem Sonarraum hat mir sein Gerät und Kassetten geliehen. Alles Bach, aber es beschäftigt den Geist.»
«Eine Nachricht für Sie.» Mancuso reichte ihm ein Stück Papier, auf dem nur sechs Worte standen - in Code.
«Es geht los.»
«Wann?»
«Das wird in der nächsten Nachricht stehen.»
«Es wird langsam Zeit, daß Sie mir sagen, wie diese Sache ablaufen soll», meinte der Captain.
«Aber nicht hier», erwiderte Clark leise.
«Hier entlang zu meiner Kajüte.» Mancuso machte eine Geste. Sie gingen an den Turbinen vorbei, durch den Reaktorraum, durchquerten die Angriffszentrale und erreichten schließlich Mancusos Kajüte. Der Captain warf Clark ein Handtuch zu, damit er sich den Schweiß, vom Gesicht wischen konnte.
«Hoffentlich haben Sie sich nicht total erschöpft.»
«Ich mußte etwas gegen die Langeweile tun. Ihre Leute haben alle
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