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05 - Der Schatz im Silbersee

05 - Der Schatz im Silbersee

Titel: 05 - Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zurücklassen; dir aber steht es frei zu tun, was dir beliebt.“
    „Der ‚Große Wolf‘ wird sich nicht dadurch schänden, daß er weniger Mut und Vertrauen zeigt. Komm also herab!“
    Der Häuptling legte seine Waffen da, wo er stand, in das Gras und wartete dann auf Old Shatterhand.
    „Sie wagen zu viel“, wurde dieser von Jemmy gewarnt. „Sind Sie wirklich der Überzeugung, daß Sie es tun dürfen?“
    „Ja. Wenn der Häuptling vorher zurückgetreten wäre, um sich mit seinen Leuten zu beraten oder ihnen einen Befehl, einen Wink zu geben, so würde ich freilich Verdacht schöpfen. Da er das aber nicht getan hat, so muß ich ihm Vertrauen schenken.“
    „Und was sollen wir inzwischen tun?“
    „Nichts. Ihr legt, doch ohne daß man es unten bemerkt, die Gewehre auf ihn an und schießt ihn sofort nieder, falls ich angegriffen werden sollte.“
    Er stieg hinab und dann schritten die beiden langsam aufeinander zu. Als sie sich erreichten, hielt Old Shatterhand dem Häuptling die Hand hin und sagte: „Ich habe den ‚Großen Wolf‘ noch nie gesehen, aber oft gehört, daß er in der Beratung der Weiseste und im Kampf der Tapferste sei. Ich freue mich also jetzt, sein Angesicht zu sehen und ihn als Freund begrüßen zu können.“
    Der Indianer ignorierte die Hand des Weißen, musterte mit scharfem Blick die Gestalt und das Gesicht desselben, und antwortete, indem er nieder zur Erde deutete: „Setzen wir uns! Die Krieger der Utahs haben ihre Kriegsbeile gegen die Bleichgesichter ausgraben müssen, und es gibt also keinen einzigen Weißen, den ich als Freund begrüßen kann.“
    Er ließ sich nieder, und Old Shatterhand setzt sich ihm gegenüber. Das Feuer war verlöscht; neben der Asche desselben lagen noch Knox und Hilton, welche sehr schwer betäubt oder gar tot sein mußten, da sie sich noch immer nicht bewegten. Old Shatterhands Mustang hatte die Indianer gerochen, noch ehe die Stimme des Häuptlings erschollen war, und sich schnaubend in die Nähe des Felsens gemacht. Davys altes Maultier besaß eine ebenso feine Nase und war diesem Beispiel gefolgt. Die Pferde Franks und Jemmys hatten sich das zu Lehre dienen lassen, und so standen die vier Tiere jetzt hart am Felsen, und ihre Haltung, ihr Benehmen zeigte, daß sie sich der Gefahr, in welcher sie sich mit ihren Herren befanden, wohl bewußt waren.
    Keiner der beiden einander gegenüber Sitzenden schien beginnen zu wollen. Old Shatterhand blickte wartend und so gleichgültig, als ob ihm nicht das mindeste geschehen könne, vor sich nieder. Der Rote aber konnte seinen prüfenden Blick nicht von dem Weißen lassen. Die Farbe, welche dick auf seinem Gesicht lag, ließ den Ausdruck desselben nicht erkennen; aber die breit und etwas abwärts gezogenen Mundwinkel deuteten an, daß er sich von dem vielbesprochenen Jäger eine Vorstellung gemacht hatte, welche durch die äußere Gestalt desselben jetzt nicht bestätigt wurde. Dies zeigte sich, als er jetzt endlich die fast ironische Bemerkung machte: „Der Ruf Old Shatterhands ist groß; aber seine Gestalt ist nicht mit demselben fortgewachsen.“
    Old Shatterhand ragte über die gewöhnliche Größe hinaus, war aber dem Äußern nach keineswegs ein Gigant. Er hatte in der Vorstellung des Roten jedenfalls als ein wahrer Goliath gelebt. Der Jäger antwortete lächelnd: „Was hat die Gestalt mit dem Ruf zu tun? Soll ich dem Häuptling der Utah etwa antworten: Die Gestalt des ‚Großen Wolfes‘ ist groß, aber sein Ruf, seine Tapferkeit ist nicht gleichmäßig mit ihr gewachsen?“
    „Das würde eine Beleidigung sein“, erklärte der Rote mit blitzenden Augen, „auf welche ich dich sofort verlassen würde, um den Befehl zum Beginn des Kampfes zu erteilen!“
    „Warum erlaubst du dir da eine solche Bemerkung über meine Gestalt? Zwar können deine Worte einen Old Shatterhand nicht beleidigen, aber sie enthalten eine Mißachtung, welche ich nicht dulden darf. Ich bin wenigstens ein ebenso großer Häuptling wie du; ich werde höflich mit dir sprechen und verlange von dir die gleiche Höflichkeit. Das muß ich dir sagen, bevor wir unsre Unterredung beginnen, denn sonst würde dieselbe zu keinem guten Ziel führen.“
    Er war es sich und seinen drei Begleitern schuldig, dem Roten diesen Verweis zu geben. Je kräftiger er auftrat, desto mehr imponierte er, und von dem Eindruck, welchen er jetzt hervorbrachte, hing die Gestaltung seiner Lage ab.
    „Es gibt nur ein einziges Ziel und kein andres“, erklärte der

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