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05 - Der Schatz im Silbersee

05 - Der Schatz im Silbersee

Titel: 05 - Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Fichte?“
    „Intsch ovomb.“
    „Das is noch kürzer, zwee Worte bloß. Die werde ich nich vergessen.“
    „Was hat denn dieses Intsch ovomb mit deinem Plan zu tun?“
    „Es is der Leuchtschtern für meinen Dauerloof. Aber schtille jetzt; der Häuptling kommt!“
    Der ‚Große Wolf‘ kam wieder. Er steckte eine Lanze in den weichen Grasboden und erklärte, daß der Todeslauf jetzt beginnen werde.
    „In welcher Kleidung?“ fragte ihn der Hobble-Frank.
    „Wie es euch beliebt.“
    Frank entledigte sich aller Kleidungsstücke bis auf die Hosen; der ‚Springende Hirsch‘ trug jetzt nur einen Lederschurz. Er blickte auf seinen Gegner mit einem Gesicht, welches Verachtung ausdrücken sollte, aber das Ebenbild der göttlichsten Borniertheit war.
    „Frank, gib dir Mühe!“ mahnte Jemmy. „Denke daran, daß Davy und ich gesiegt haben!“
    „Weine nur nich!“ tröstete der Kleine. „Wennste noch nich wissen solltest, ob ich Beene habe oder nich, so wirst du sie jetzt protuberanzieren sehen.“
    Da klatschte der Häuptling in die Hände. Einen schrillen Schrei ausstoßend, flog der ‚Springende Hirsch‘ davon, der kleine Frank hinter ihm her. Die Bewohner des ganzen Lagers waren wieder versammelt, um den Wettlauf anzusehen. Ihrer Ansicht nach war es schon jetzt; nach drei, vier Sekunden, gewiß, wer der Sieger sein werde. Der Hirsch war seinem Gegner schon weit voraus und gewann mit jedem weiteren Schritt größeren Vorsprung. Die Roten jubelten. Es wäre Wahnsinn gewesen, zu behaupten, daß der Weiße den Roten noch ein- oder gar überholen könne.
    Geradezu wunderbar war's, wie der Kleine seine Beinchen warf. Man sah sie fast nicht, so schnell bewegten sie sich, und doch hatte es, wenigstens für den genauen Beobachter, den Anschein, als ob er noch nicht alles leiste, sondern noch rascher laufen könne, wenn er wolle.
    Da wurden die Indianer unruhig; sie ließen einzelne Ausrufe des Hohnes, der Schadenfreude hören; sie lachten und glaubten wirklich, alle Veranlassung dazu zu haben. Der Grund war folgender: Die Buche stand in schnurgerader Richtung von dem Lager aus mitten in der Prärie, wohl nicht ganz dreitausend Fuß entfernt. Links von ihr, aber wenigstens zweitausend Fuß weiter, stand die erwähnte Fichte, und jetzt, da die beiden Läufer sich in dazu genügender Entfernung befanden, sah man deutlich, daß der Kleine sich nicht die Buche, sondern die Fichte zum Ziel genommen hatte. Er rannte, was die Beinchen nur hergeben wollten, auf sie zu. Das war freilich so lächerlich, daß den Indianern ihre Heiterkeit verziehen werden konnte.
    „Dein Gefährte hat mich falsch verstanden“, rief der Häuptling Old Shatterhand zu.
    „Nein.“
    „Aber er rennt ja nach der Fichte!“
    „Allerdings.“
    „So wird der ‚Springende Hirsch‘ mit doppelter Schnelligkeit siegen!“
    „Nein.“
    „Nein?“ fragte der ‚Große Wolf‘ erstaunt.
    „Es ist eine List, und du hast sie ihm selbst erlaubt.“
    „Uff! Uff! Jawohl, und uff, uff!“ riefen auch die andern Roten, als der Häuptling ihnen die Worte Old Shatterhands erklärte. Ihr Gelächter verstummte, und ihre Spannung verdoppelte, nein, verzehnfachte sich.
    In kurzer Zeit hatte der Hirsch die Buche erreicht. Er mußte sie dreimal umkreisen. Schon beim erstenmal sah er, zurückblickend, seinen Gegner in ganz andrer Richtung, wenn auch nur dreihundert Schritte entfernt. Er blieb ganz betroffen stehen und starrte den Moritzburger erstaunt an.
    Da sah man vom Lager aus, daß der Kleine den Arm nach der noch so fernen Fichte ausstreckte; aber man konnte nicht hören, was er dabei sagte.
    „Intsch ovomb, intsch ovomb – nach jener Fichte, nach jener Fichte!“ rief er nämlich dem Roten zu.
    Dieser besann sich, ob er richtig gehört habe. Seine Gedanken reichten nicht weiter als zu der Erklärung, daß er den Häuptling falsch verstanden habe, und daß nicht die Buche, sondern die Fichte das Halbziel des Wettlaufs sei. Schon war der Kleine weiter, viel weiter fort; da galt kein Bedenken und kein Zögern; es ging ja ums Leben! Der Rote verließ die Buche und eilte weiter, auf die Fichte zu. In wenigen Augenblicken schoß er von weitem an dem Gegner vorüber und flog, ohne sich einmal umzusehen, seinem zweiten Ziel entgegen.
    Das verursachte eine gewaltige Aufregung unter den Roten. Sie heulten und lärmten, als ob das Leben aller auf dem Spiel stehe. Desto größer war die Freude der Weißgesichter, und namentlich des dicken Jemmy, welche den

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