05 - komplett
seinem Griff.
Sie entfernte sich schnell, um ihm zu entkommen, und hielt erst inne, als sie den Großen Salon verlassen und ein kleines Vorzimmer erreicht hatte. Dann sah sie sich um und stellte mit einem leisen Stich der Enttäuschung fest, dass der Major ihr nicht gefolgt war. Sie spielte bereits mit dem Gedanken, sich bei ihren Gastgebern zu verabschieden, als ein Diener sich ihr näherte und ihr ein Billett auf einem silbernen Tablett reichte.
„Was ist das?“, fragte sie erstaunt.
Der Diener war offensichtlich ebenso erstaunt über ihre Frage. „Ich weiß es nicht, Mylady. Ein Lakai brachte den Brief und bat mich, ihn Ihnen zu übergeben.“
Sie dankte ihm geistesabwesend, öffnete den Umschlag und las verblüfft: Gehen Sie in den Garten, und sehen Sie unter Apollos Ferse nach .
Ihre Gedanken überschlugen sich. Apollo. Wahrscheinlich eine Statue. Eloise erinnerte sich, dass die hohen Terrassentüren im Großen Salon weit geöffnet waren.
Zwar wusste sie nicht, was dahinter lag, doch sie würde es herausfinden müssen.
Zielbewusst bahnte sie sich einen Weg zur ersten Tür. Dahinter lag eine schmale Terrasse, von der seitlich eine Treppe in den Garten führte. Nach einem schnellen Blick in den Salon vergewisserte sie sich, dass niemand sie beobachtete, und schlüpfte hinaus. Vor ihr erstreckte sich der Garten in dunklen Umrissen. Ganz weit hinten am Ende des Gartens tauchte das Licht der Laternen steinerne Gebilde in ein blassgoldenes Licht – Marmorstatuen.
Sofort eilte Eloise die Treppe hinunter und lief den Kiesweg entlang. Der Mond war noch nicht aufgegangen, und so konnte sie den Weg nur schemenhaft als breiten grauen Streifen erkennen. Einmal glaubte sie, ein Geräusch hinter sich zu vernehmen, und wirbelte erschrocken herum. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Doch da war nichts, nur das Haus mit den vier hell erleuchteten Terrassentüren.
Eloise eilte weiter, am Rosengarten vorbei, dessen blühende Sträucher die Luft mit ihrem Duft erfüllten, und über einen von Bäumen gesäumten Weg. Hier war es besonders dunkel. Am Ende des Wegs konnte sie gerade noch die Gartenmauer ausmachen, an der die erste Laterne hing. Sobald sie den Weg verließ, bemerkte sie die Statue einer Frau. Geisterhaft schimmerte der Marmor im Licht der Laterne.
Eloise kam an weiteren fünf Statuen vorbei, jede einzelne von einer Laterne beleuchtet. Sie hielt den Atem an. Die dritte Statue war eindeutig männlich und hielt eine Leier in der Hand. Ja, das könnte Apollo sein. Sie ging auf die Statue zu und schaute auf deren Füße. Eine der Marmorfersen war leicht angehoben, und tatsächlich lag darunter ein zusammengefaltetes Stück Papier.
Eloise zog es hervor, entfaltete es und hielt das Geschriebene in das schwache Licht.
Ihr Herz, das eben noch so heftig geklopft hatte, setzte jetzt einen Schlag aus. Dieses Mal handelte es sich nicht um eine weitere Nachricht, sondern offenbar um eine Seite, die aus einem Buch gerissen worden war. Aus einem Tagebuch. Die kleine, saubere Schrift war ihr nur allzu vertraut. Während Eloise las, hielt sie sich voller Entsetzen die Hand vor den Mund. Die Empfindungen, die beschrieben wurden, die eindeutige Natur der Worte – es waren intime Gedanken, die einen Skandal verursachen würden, sollten sie je bekannt werden. Und dieser Skandal würde sie und Alex zerstören.
Einen fürchterlichen Moment lang glaubte Eloise, sie müsse ohnmächtig werden.
Doch dann riss sie sich zusammen, faltete das Papier zusammen und versteckte es in ihrem Ausschnitt. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Hastig entfernte sie sich von der Statue und blickte sich ängstlich um. Es herrschte Stille in dieser entfernten Ecke des Gartens. Plötzlich sehnte sie sich nach der Sicherheit des überfüllten, heißen Salons. Sie hob ihren Rocksaum an und begann zurückzulaufen. Nur nicht daran denken, wer oder was sich in der Dunkelheit verbergen mochte! Die Stufen zur Terrasse waren schon in Sicht, als jemand sich ihr in den Weg stellte. Eloise schrie auf und wollte kehrtmachen. Doch sie spürte starke Hände, die sie packten und festhielten.
„Ganz ruhig, meine Liebe. Es besteht kein Grund zur Angst.“
Obwohl sie Jack Cliftons tiefe Stimme erkannte, schwand ihre Furcht nicht. Der Lärm, der aus den offenen Türen nach draußen drang, war so laut, dass niemand ihren Schrei gehört haben dürfte. Ebenso wenig würde jemand hören, falls sie jetzt um Hilfe rief. So gut sie konnte, kämpfte Eloise gegen die
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