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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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nahm sich
sechs und jonglierte gekonnt mit ihnen. »Ich muss in Übung bleiben«, sagte er.
»Vielleicht verdiene ich mir mein Geld wieder auf dem Jahrmarkt wie in meiner
Jugendzeit.«
    »So etwas dürfen Sie nicht einmal
aussprechen«, verwies ihn Mrs. Middleton. Das »Mrs.« war nichts weiter als ein
Höflichkeitstitel, und die Jungfer hegte die stille Hoffnung, der Butler werde
sie heiraten, wenn sie erst einmal ihr Gasthaus hatten.
    Wenn Mrs. Middleton dieses Gasthaus
vor ihrem geistigen Auge sah, war immer Sommer, ein strahlender englischer
Sommer, der erfüllt war von Rosen — und Geißblattduft und vom trägen Gebrumm
der Bienen. Das Gasthaus war ein ziemlich modernes Haus, nicht etwa eines
dieser schrecklichen Tudorgebäude. Die Tudors konnten nicht anständig bauen —
diese niedrigen Balken, an denen man sich den Kopf stieß, diese garstigen
Strohdächer, in denen die Ratten hausten. Und Abflussrohre hatten sie auch noch
nicht, überlegte Mrs. Middleton, die davon überzeugt war, dass die Tudors aus
reiner Bosheit absichtlich so gebaut hatten und nicht aus Unwissenheit. Sie
würde nie mehr in Schwarz gehen, sondern gestreifte und geblümte Baumwoll- und
Musselinstoffe tragen. Sie würde sich auch selten eine Schürze umbinden, damit
die Gäste gleich erkannten, dass sie die Wirtin war und der Wirt ihr Gatte.
Rainbird würde sich ändern, er würde stattlich und vornehm werden und
aufhören, sich ständig an seine Jonglier-, Akrobaten-oder Zauberkunststücke zu
erinnern. Wenn sie sehr erfolgreich waren, könnten sie sich vielleicht zu
einer Poststation vergrößern und reihenweise Diener haben, um alle die Herren
und Damen, die bei ihnen übernachteten, zu bewirten. In ihrer Vorstellung sah
Mrs. Middleton schon die stattliche Gestalt des Prince of Wales aus seiner
Kutsche vor der Poststation steigen, während sie und Rainbird auf der
Eingangstreppe standen, um ihn zu begrüßen. Und als sie gerade einen tiefen Hofknicks
vor Seiner Königlichen Hoheit machte, wurde sie mit einem Ruck in die
Wirklichkeit zurückbefördert, weil der Koch, Angus MacGregor, in seinem
unverkennbar schottischen Dialekt sagte: »Ich frage mich, ob ich nicht einfach
nach Schottland zurückgehen soll. Ich glaube nicht, dass ich für ein
englisches Pub geeignet bin, so wahr ich hier stehe.«
    »Oh, natürlich sind Sie das!« rief
Mrs. Middleton. Angus war ein hervorragender Koch, und seine Kochkunst würde
schon allein genügen, um die Gäste in Scharen anzulocken.
    »Ja, aber ich würde nur ganz wenig
Geld brauchen, um mir ein kleines Stück Land in Schottland und ein paar Kühe
kaufen zu können. Ich würde in meiner Heimat sein, und nicht immer nach der
Pfeife eines anderen tanzen müssen, nie wieder.« »Quatsch«, sagte Dave. »Mit
einem Namen wie MacGregor würde man Ihnen gar kein Land verkaufen. Viehdiebe,
das sind die MacGregors.«
    Angus war zu überrascht, um
beleidigt zu sein. »Woher willst du das wissen?« rief er aus.
    »Lizzie hat mir ein Buch gegeben, in
dem das alles steht«, sagte Dave.
    »Lauter Lügen«, murmelte Angus, aber
er warf einen verstohlenen Blick auf Lizzie, die im Moment ebenso wie die
Haushälterin in träumerische Gedanken verloren war. Er hatte beobachtet, wie
sich Lizzie von einem unsauberen, unwissenden, verwahrlosten Kind zu einem
belesenen jungen Fräulein gewandelt hatte. Aber dennoch blieb sie ein
Küchenmädchen, und bestimmt fand sie ihre Stellung im Leben immer entwürdigender.
    Aber Lizzie träumte ebenfalls von
der Zukunft. Sie würde mit Joseph verheiratet sein, einem Joseph, der sich
nicht mehr als jemand ausgab, der er nicht war, sondern mit einem männlichen
Joseph, der gesund und gebräunt von der Arbeit auf dem Feld aussah. Für Lizzie
bedeutete das Gasthaus nur eine andere Art von Dienen. Sie fürchtete, dass sie
nur dem Namen nach zu den Besitzern gehören würde, dass man von ihr erwartete, dass
sie schrubbte und putzte und bediente und nie die Freuden eines höheren
gesellschaftlichen Rangs oder der Unabhängigkeit erlebte. Wenn Joseph doch nur
einmal das Leben eines kleinen Bauern in Betracht zöge. Alles, was sie
brauchten, wäre ein kleines Cottage und ein kleines Stück Land. Ihre Träume
waren sehr ähnlich wie die des Kochs, aber während er die sich hoch
auftürmenden Berge, die glitzernden Seen und die rauhen Moorlandschaften
Schottlands vor seinem geistigen Auge sah, sah sie die sanften Hügel von
England, wo immer die Sonne schien und der Weizen reif war, wo die Rosen

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