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050 - Die Blutsauger

050 - Die Blutsauger

Titel: 050 - Die Blutsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Barton
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unbewohnbar, auch wenn es gut erhalten war. Der Mann mit dem furchteinflößenden Gesicht, wenn er ihr Vater war, weshalb hatte sie dann so erschreckt ausgesehen? Und die Sache mit der Kirche? Er hatte sich in seinem Leben nie gesträubt, eine Kirche zu betreten. Weshalb war das Kreuz so voll unerträglichen Lichtes gewesen? Und weshalb war ihm der Gedanke daran selbst jetzt noch unangenehm? Unverständlich. Und wie war die Entstehung der Brandblase zu erklären, als er das Kreuz in der Holzschnitzerei der Kirchenbank berührt hatte?
    Wie war das möglich? fragte er sich immer wieder. Wie war all das möglich?
    Und die Tatsache, daß Lilette keinen Schatten warf, obwohl sie mitten im Licht der Scheinwerfer stand. Und er erinnerte sich, wie sie im Mondlicht auf ihn gewartet hatte; auch da hatte sie keinen Schatten geworfen. Vielleicht bewirkte das der seltsame Umhang, den sie trug? Er bauschte sich nicht so weit, daß ihre Gestalt darunter keinen Schatten werfen konnte.
    Er legte seine Hand auf die schmerzende Stelle an seiner Kehle. Auch das war sonderbar. Aber die ganze Sache schien merkwürdig, er brauchte sich nur an den Augenblick zu erinnern, als er in den Spiegel im Wagen geblickt hatte: Der Sitz neben ihm war leer gewesen, obwohl er das Mädchen in seinen Armen gehalten hatte!
    Und dieser eigenartige Mephisto, von dem sie behauptet hatte, es sei ihr Vater? Auch ihn hatte er klar und deutlich mit seinen eigenen Augen durch die Scheiben gesehen, und doch, als er in den Spiegel sah, war die Stelle leer, an der die Gestalt stand.
    Und dann fiel ihm etwas anderes ein. Und das war, wenn er es recht bedachte, vielleicht das bedeutsamste Steinchen in dem rätselhaften Mosaik: Die Stelle, an der Lilette aus dem Wagen gesprungen war, befand sich unmittelbar vor einer Brücke aus Stein, unter der ein schmaler Bach dahinfloß; und das war nun tatsächlich sonderbar. Weshalb mußte sie gerade an dieser Stelle aus dem Wagen springen? Vor der Brücke? Vor dem fließenden Wasser?
    Er konnte sich nicht länger der Erkenntnis verschließen, daß all die Steinchen ein Bild ergaben und er nur die Augen zu öffnen brauchte, um seinen Sinn zu erkennen. Aber er wollte die Augen nicht öffnen. Er wollte einfach nicht.
    Vielleicht, gab es eine andere Möglichkeit, einen Ausweg …
    Endlich erreichte er sein Zuhause und mit ihm die heile und normale Welt, die für ihn bis vor kurzem das einzig Vorstellbare gewesen war.
    Mit einem bitteren Lächeln fragte er sich, was Leroy Thompson wohl damals gesagt hätte, hätte man ihn überzeugen wollen, daß es zu dieser heilen Welt sehr wohl eine Alternative gab, und er diese andere Welt nicht nur kennenlernen, sondern auch akzeptieren würde?
     

     
    Als er aufwachte, ging es gegen Mittag. Aber es war sein freier Tag, und er konnte so lange schlafen, wie er wollte.
    Er beschloß, in den Klub zu gehen.
    Er versperrte die Tür, ließ den großen Wagen in der Garage stehen und nahm den Bus in die Stadt, wo er zu Mittag aß.
    Sein Klub war in einem alten, eleganten Gebäude aus der Jahrhundertwende untergebracht und strahlte eine unwahrscheinlich elegante, ruhige und noble Atmosphäre aus. Jeder ging langsam im Klub, der eine Art Tempel der Beschaulichkeit für die Stunden der Erholung war, die nach dem Trubel der Geschäfte und des Berufes kamen.
    Leroy Thompson ließ sich in seinem Lieblingssessel in der Ecke nieder und wartete, bis ein Kellner, der sich mit lautloser Sicherheit über die kostbaren Teppiche bewegte, kam und sich leicht verbeugte.
    »Guten Abend, Sir. Was darf ich Ihnen bringen?«
    »Einen großen Brandy, John.«
    Der Kellner strich sein untadelig weißes Jackett gerade.
    »Sehr wohl, Mr. Thompson.«
    John glitt geräuschlos davon. Kurz darauf erschien er wieder mit einem doppelten Brandy und einer Flasche Sodawasser. Er begann, das Glas mit dem Sprudel zu füllen, und sah Thompson dabei an.
    »So ist es richtig. Danke, John.«
    »Bitte, Sir.«
    Er verschwand mit dem Tablett, der Sodawasserflasche und einer Banknote. So still und unauffällig, wie er gegangen war, kam er wieder. »Das Wechselgeld, Sir.«
    »Danke.« Leroy gab ihm ein großzügiges Trinkgeld und schob den Rest in seine Jackentasche.
    So früh am Nachmittag war der Klub ziemlich leer. Er griff zur »Times« und begann sie mit so viel Konzentration zu lesen, wie er nur aufbringen konnte. Aber obwohl er üblicherweise nicht leicht abzulenken war, wenn er sich mit etwas beschäftigte, gelang es ihm heute kaum, den

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